Predig am 11. Mai 2025, in der Erlöserkirche
PREDIGTTEXT – SPRÜCHE 8,22-36: Die Weisheit spricht: „Der Herr hat mich geschaffen am Anfang seines Wegs, PREDIGT Liebe Gemeinde, die Stelle die wir gerade gehört haben, die liefert eine Art „Anleitung zur Weisheit“ – Untertitel „biblisch gescheit sein“. Das ist ja auch kein Wunder, denn es ist nicht irgendwer, der hier diesen Monolog, diese Vorstellung spricht, sondern die Weisheit selber. Weiblich gedacht als „Frau Weisheit“. Sie stellt sich hier recht selbstbewusst vor, diese Weisheit, hält mit ihrer Rolle und Funktion nicht zurück. Vermeintlich ein Text, den man wahlweise ein bisschen albern finden kann, oder aber als Beleg dafür, dass es in der Bibel eben auch gescheit und wissend hergehen kann. Ich kann mir vorstellen, dass diese Verse für viele Menschen auch ein bisschen eine religiöse Entlastung sein können, eben weil hier so ein Selbstlob der Weisheit stattfindet. Es ist aber viel mehr als das und viel interessanter für uns ist es, wenn wir versuchen aus dieser Rede eine „Anleitung“ für uns herauszuextrahieren. Herauszuarbeiten, was uns diese biblische Weisheit eigentlich sagen will. Wo sie uns hinführen möchte. Wie wir weise werden – oder eben: biblisch g’scheit. Drei Schritte dazu – drei Dinge, die bedacht, bewegt, überlegt gehören, wenn wir dieser „Frau Weisheit“ folgen wollen. Wenn wir selber weise sein wollen. Ein Weg, den wir gehen können. I. Anfangen: Die Schöpfung erkennen Auffällig ist doch, dass die Weisheit hier nichts ist, was akut mit den Menschen zu tun hat – nein, sie ist seit Beginn der Zeit da, Mitakteurin des Schöpfungsgeschehens, geschaffen vor allem Anderen. Das heißt: Weisheit kann nicht einfach mit dem Wissen von Dingen gleichgesetzt werden. Das ist schön und gut, aber meint es hier nicht. Denn die Weisheit war schon, bevor es irgendetwas zu wissen und irgendjemanden, der etwas hätte wissen können, gegeben hat. Die Weisheit geht all dem vor. Das lenkt unseren Blick auf die Schöpfung selber: sie wahrnehmen ist etwas, das weise ist – die Weisheit war schließlich dabei. Als „Werkmeisterin“, wie es heißt. Die Schöpfung wahrnehmen ist weise. Die Welt, den Kosmos, als etwas sehen, das nicht ursachenlos ist, sondern Werk eines guten Schöpfers. Das ist ohnehin in unserer christlichen DNA drinnen, aber daran werden wir hier erinnert. Die Schöpfung als etwas Gutes, als etwas weise Geschaffenes sehen. Und da auch wir zur Schöpfung gehören, als Menschen, auch uns als weisheitsbegabt wahrzunehmen. Ganz prinzipiell – und da im Schöpfungsgeschehen noch keine akademischen Titel, keine langwierigen Ausbildungen, auch keine Wissenshows oder IQ-Tests vorhanden waren erkennen wir auch: unsere Weisheitsfähigkeit ist nicht mit Wissen oder Fähigkeiten deckungsgleich, sondern grundsätzliche Gabe an uns alle – egal ob nach den Maßstäben von Welt und Gesellschaft „gescheit“ oder eher nicht. Biblisch gescheit sein, das heißt im Ersten die Schöpfung als weise und gut wahrnehmen. II. Unterwegs: Weisheit suchen Aber auch wenn die Grundlage der Weisheit schöpferisch in uns gelegt ist, so braucht es doch auch unser Zutun, um wirklich weise zu werden. „So hört nun auf mich, ihr Söhne! Wohl denen, die auf meinen Wegen bleiben. Hört auf die Unterweisung und werdet weise, und schlagt sie nicht in den Wind.“ Hören, auf den Wegen der Weisheit bleiben – das ist das, was sie selber uns rät. Dabei ist die Weisheit ja keine alternative Religion, kein anderes Erklärmodell oder gar eine eigene Gottheit. Nein, die biblische Weisheit verweist in allem und immer auf den einen Gott – in der Frage der Schöpfung wie auch hier im Gemahnen an das Hören und auf dem Weg bleiben. Wer weise ist, hört auf das Wort Gottes, wie es uns im Alten und im Neuen Testament begegnet und bleibt auf den Wegen Gottes: im Halten der Gebote, in der Liebe zu Gott und den Nächsten, in Gebet und Glaube verbunden. Die Wege der Weisheit sind keine alternative Route in den Himmel oder zu irgendeiner besonderen Erkenntnis, sondern weise sind die Wege Gottes. Und weise ist, wer auf ihnen geht und nach den Geboten Gottes lebt. Auch hier erkennen wir ganz deutlich: Das ist keine Frage von Wissen oder Fertigkeiten, sondern eine Frage der Haltung und der Lebensführung. Ein Leben mit Fragen und Suchen – das ist das, wozu wir hier ermahnt werden, aufgerufen, motiviert werden. Denn am Ende aller Weisheit, da steht ja nicht bloß der schnöde Erwerb von möglichst viel Wissen oder vielen Titeln oder dem besten Abschneiden bei „Quizduell“. Weise ist nicht letztendlich der, der bei der „Millionenshow“ alle Fragen beantworten kann. Weise ist, wer nach der Wahrheit sucht. Nach dem Leben, nach dem Weg. Und wirklich weise lebt der, der das auch finden mag, die Suche zu einem erfolgreichen Abschluss bringt. III. Am Ziel: Das Leben finden Die Weisheit selber führt uns das noch einmal vor Augen: „Denn wer mich gefunden hat, hat das Leben gefunden und Wohlgefallen erlangt beim Herrn. Aber wer mich verfehlt, schädigt sich selbst; alle, die mich hassen, lieben den Tod.“ Wenn vom Leben und vom Leben finden die Rede ist – dann erfüllt das alles für mich plötzlich einen tieferen Sinn. Geht es nicht mehr ums Gescheit sein, sondern um alles, ums Ganze. Ein Zugang zum Ziel, zum Abschluss dieses Textes – mit einer Fußnote versehen. Gewiss kann man diesen alttestamentlich-weisheitlichen Abschnitt auch ganz anders verstehen und Exegeten würden mir das vielleicht um die Ohren hauen, worauf ich als Abschluss hinauskomme. Aber als Prediger der evangelischen Kirche kann ich nicht anders – und will auch nicht. Für mich geht es hier, bei diesen Worten nicht mehr um eine abstrakte „Frau Weisheit“, nicht um eine Tugend oder eine allegorische Figur. Hier geht es für mich um Jesus Christus. Er ist doch „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Am Ende führt für mich – ganz persönlich und subjektiv gelesen – diese Selbstvorstellung der Weisheit zu Christus hin. Und so können wir den Bogen zurückschlagen hin zum Eingangsvotum, hin zur Lesung – wo es um das neue Leben geht, das Christus für uns eröffnet hat. „Christus ist mein Leben“ (Philipper 1,21) – ich habe das Abendmahlstischtuch absichtlich hängen gelassen. Wer das Leben findet, wer wirkliche Weisheit gefunden hat – das ist der, der Christus gefunden hat, der sich hat finden lassen. Alle Weisheit ist in ihm. Im Kolosserbrief 2,3 heißt es: „In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ Die Weisheit finden – das heißt Christus finden. Die Suche nach der Weisheit, das Wandeln auf ihren Wegen, das Leben nach ihren Ratschlägen – all das hat ein Ziel: Christus selber. Von diesem Ziel weg verstanden, da ergibt auch all das, was und hier so undeutlich und ein wenig irritierend begegnet erst wirklich Sinn. Wird mit Inhalt und Leben erfüllt. Der weise Blick auf die Schöpfung ist doch ganz anders und neu durch Ostern, durch die Auferstehung, die ja auch uns zugesagt und versprochen ist – die Verheißung des Ewigen Lebens. Der Weg den wir gehen sollen, der bekommt doch, wenn wir auch das Evangelium und die Botschaften Jesu dazu lesen, noch mehr Klarheit. In einem Leben als Christinnen und Christen. „Gescheit leben“ – das heißt also: in der Wahrnehmung der wunderbar geschaffenen Schöpfung Gottes. Im Suchen und Streben danach ein Leben nach seinem guten Gesetz und seinen Geboten zu führen. Als Ziel unseres Lebens, als Endpunkt aller Weisheit Jesus Christus zu erkennen und zu sehen. Für mich hört sich das wirklich weise, wirklich gescheit an. Amen. Leopold Potyka |