Online – Andacht zum Pfingstfest, 31. Mai 2020
mit Pfr. Johannes Wittich
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Orgelvorspiel:

P. Theodor Grünberger: Präludium

Psalm 118, 24: 

Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat, wir wollen jauchzen und uns an ihm freuen.

Begrüßung:

Wie sehr haben wir uns darauf gefreut, an Pfingsten wieder einen
„richtigen“ Gottesdienst feiern zu können. Auf der Wiese, im Freien, draußen in Gottes schöner Schöpfung. Alles war schon geplant – und dann das: ein COVID-19 Fall in unserer Mitte. Nicht gefährlich, sagen die Behörden, da alle Vorkehrungen von uns korrekt eingehalten wurden. (Dafür wurden wir ausdrücklich gelobt.) Aber doch Grund genug, um sicherheitshalber erst nach zwei Wochen wieder einen Gottesdienst zu feiern.

„Lasst und freuen und fröhlich sein!“ – trotzdem. In den letzten Wochen und Monaten haben wir doch gut gelernt, auch über physische Distanz einander nahe zu bleiben. Als Gemeinschaft, christliche Gemeinde, die weiß, was sie aneinander hat. Das ist auch heute, an diesem Sonntag so. Und Grund zur Freude. Auch dieser Tag ist einer, den Gott gemacht hat, wie es der Psalmbeter sagt. So feiern wir, in Gedanken und Gebeten verbunden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

Vater im Himmel,
wir sind vor deinem Angesicht und bekennen dir,
dass wir uns oft viel mehr Geist zutrauen als dir.
Wir fürchten uns dann, von uns abzusehen
und auf dich zu schauen,
auf dich zu warten und deinen Geist zu erbitten.
Das bekennen wir dir.
Es soll nicht alles einfach wie immer laufen, guter Gott.
Viel mehr soll durch deinen Geist geschehen.
Dreieiniger Gott,
Vater im Himmel, Sohn auf Erden, dein Geist in und um uns:
Dich beten wir an als den Grund und das Ziel der Welt.
Wir danken dir, dass du uns nie alleine uns selbst überlässt,
und bitten dich:
Hilf uns, nicht nur unserem Gewohnten zu trauen,
sondern vor allem dir, der du uns helfen willst,
die Welt in Liebe zu gestalten.
Amen.

(Michael Becker)

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 136, 1-4: O komm, du Geist der Wahrheit

1) O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.

2) O du, den unser größter
Regent uns zugesagt:
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharf geschliffnen Waffen
der ersten Christenheit.

3) Unglaub und Torheit brüsten
sich frecher jetzt als je;
darum musst du uns rüsten
mit Waffen aus der Höh.
Du musst uns Kraft verleihen,
Geduld und Glaubenstreu
und musst uns ganz befreien
von aller Menschenscheu.

4) Es gilt ein frei Geständnis
in dieser unsrer Zeit,
ein offenes Bekenntnis
bei allem Widerstreit,
trotz aller Feinde Toben,
trotz allem Heidentum
zu preisen und zu loben
das Evangelium.

Sacharja 4, 6b:

4 Nicht durch Kraft und nicht durch Stärke, sondern mit meinem Geist!, spricht der HERR der Heerscharen.

Das habe ich auch noch nicht erlebt: es ist Sonntag, 10 Uhr, Gottesdienstzeit. Und ich sitze am Computer und schreibe genau die Predigt, die ich normalerweise um diese Zeit in der Kirche halten würde. Manchmal kommt es vor, dass einem mitten in der Predigt ein neuer Gedanke kommt, der dann auch gleich eingebaut wird. Aber dass die Predigt, als Ganze, während des Predigen entsteht, das habe ich noch nie gemacht.

Aber heute ist eben alles anders. Ich bin in Quarantäne, und werde das auch noch eine Woche sein. Und die Kirche bleibt heute geschlossen. Sicher ist sicher, haben wir uns gesagt. Das Virus ist noch lange nicht besiegt. Auch weiter wird Vorsicht und Rücksicht notwendig sein, um eine neuerliche Verbreitung zu verhindern. Da wollen wir uns als Kirche nicht vor der Verantwortung drücken.

Trotzdem: die Quarantäne zu Hause geht mir auf die Nerven. Denn im Moment darf ich überhaupt nicht die Wohnung verlassen. Selbst unmittelbar nach dem „Shutdown“ war es möglich, ein bisschen an die frische Luft zu gehen, um dringende Angelegenheiten zu erledigen oder um einzukaufen. Nichts davon ist für mich im Moment erlaubt.

Und das ausgerechnet am Pfingstsonntag. Pfingsten ist nämlich eigentlich mein Lieblingsfest im christlichen Jahreskreis. Obwohl dieses Fest gegenüber Weihnachten, Karfreitag oder Ostern ein Schattendasein führt. Dass Menschen, in diesem Fall die JüngerInnen und Jünger, den Geist Gottes bekommen, den echten, starken, unverwechselbaren, der sie aus ihrer Angst und Mutlosigkeit rausreißt – diese Botschaft begeistert mich immer wieder. Pfingsten ist für mich das Fest mit der meisten „power“. „Power“ für den Alltag, für die Bewältigung der gerade anstehenden Aufgaben, Geist der Wahrheit, Licht und Klarheit (wie gerade im Lied gesungen) gerade dann, wenn’s gerade einmal wieder ordentlich drunter und drüber geht. Dieses Bild spricht mich an, hat mich immer wieder berührt, und tut es gerade heute, wo ich in meiner Wohnung festsitze.

Wenn man so will, waren die Jüngerinnen und Jünger am Morgen des Pfingstfestes auch in einer Form von Quarantäne. Einer physischen: sie waren vorsichtig damit, unter die Menschen zu gehen. Schließlich war Jesus, ihr Lehrer, erst wenige Wochen zuvor als Gefahr für Sicherheit und Ordnung im Land hingerichtet worden. Und einer geistigen Quarantäne: sie waren unter sich, habe sich sicher gut gegenseitig getröstet und aufgebaut, mit Erinnerungen an die schöne Zeit mit Jesus und der wechselseitigen Ermutigung, weiter seiner Botschaft zu vertrauen. Aber ihren Glauben auch noch öffentlich machen, das wollten sie ganz sicher nicht. Aufgrund der schon genannten Gefahr, mit einem verurteilten Verbrecher in einen Topf geworfen zu werden. Aber auch, weil sie sich einfach nicht vorstellen konnten, dass ihr Glaube auch nur von irgendeiner Relevanz für Andere sein könnte. Es war ja schon schwer genug, nicht selbst diesen Glauben zu verlieren, nach all dem, was passiert war.

Und dann, plötzlich, ist er da, der Heilige Geist. Unerwartet, ja eigentlich auch ungebeten. Gewiss, Jesus hatte versprochen, vor seiner Himmelfahrt, seinen Geist zu schicken. Gewusst hat man das als Jünger, als Jüngerin. Aber so richtig verstanden, so richtig damit gerechnet …?

Der Geist Gottes ist da, und die Anhängerinnen und Anhänger Jesu durchbrechen ihre Lethargie. Mehr noch: sie wird ihnen einfach genommen. Sie können gar nicht mehr anders. Der Geist sprengt die Mauern des Raums, in dem sie gerade noch sitzen.

Und während ich an meinem Schreibtisch sitze, in meiner Wohnung, die ich schon seit bald einer Woche nicht verlassen durfte, merke ich, dass der Geist Gottes das gerade auch wieder tut. Meine Gedanken gehen hinüber an den Wielandplatz, in die Erlöserkirche. Ich sehe den Raum, ich sehe vertraute Menschen und gelegentliche Gäste, ich höre Gemeindegesang und Orgelmusik, und irgendwo, im Hintergrund und erst noch zögerlich (wegen der gefährlichen Aerosole) beginnt auch der Erlöserkirche Gospel Choir zu singen.

Für einen Augenblick ist die Isolation überwunden, das gottesdienstliche Leben hat wieder begonnen, und das alles, ohne dass ich etwas dazu beitragen musste: „Nicht durch Kraft und nicht durch Stärke, sondern mit meinem Geist!, spricht der HERR der Heerscharen.“

Ich kann nur bestätigen: es stimmt!.

Amen.

Gebet:

Du, Gott des Friedens und der Gerechtigkeit,
hast die Jünger nicht alleine gelassen.
Du schenktest ihnen deinen Geist,
damit sie das Leben finden konnten und heil wurden in dir.
Du willst unser ganzes Vertrauen, wenn wir dich bitten:
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir deine Schöpfung genießen und bewahren.
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir uns deiner Nähe erfreuen und den Tod nicht fürchten.
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir andere Menschen in Freundlichkeit annehmen.
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir uns wieder zutrauen, nach Gerechtigkeit zu streben.
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir auch loslassen können, was uns besorgt.
Schenke uns Gaben deines Geistes,
dass wir die Menschen sehen, die uns stützen und tragen.
Du, Gott des Friedens und der Gerechtigkeit,
schenke uns und deiner ganzen Kirche auf Erden
Gaben deines Geistes,
dass wir in der Welt deinen Namen zu Ehren bringen,
bis du den neuen Himmel und die neue Erde schaffen wirst.

(Michael Becker)

Und gemeinsam beten wir:

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Orgelnachspiel: