Foto: Ulrike Wittich

 

 

Andacht der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 27. Dezember 2020
von Pfrin. Naemi Schmit-Stutz


Orgelvorspiel: Martin Seidl, Symphonie in B von Nicolas-Antoine Lebègue (1631-1702)
Spruch: Johannes 1,14b:

Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnaden und Wahrheit.

Begrüßung:

Die Weihnachtstage sind vorbei. Es ist wieder so schnell gegangen. Lange haben wir uns auf sie vorbereitet. Und jetzt, was bleibt? So habe ich mich gefragt, als ich das Wort aus dem Johannesevangelium gelesen habe. Vermochten die vielen Lichter des Festes in uns eine Ahnung dieser Herrlichkeit Gottes zu wecken oder sind wir aller Traditionen, Begegnungen und Feiern zum Trotz eigenartig leer geblieben und warten darum noch immer auf die Erfüllung dieser großen Verheißung? Von einem, der noch immer sehnsüchtig nach dem versprochenen Heiland Ausschau hält, handelt unser heutige Gottesdienst. Und wir feiern ihn im Namen dessen, der immer schon da ist und dennoch immer wieder kommt. Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 49, 1-2: Der Heiland ist geboren

1) Der Heiland ist geboren, freu dich, du Christenheit,
sonst wärn wir gar verloren in aller Ewigkeit.
Freut euch von Herzen, ihr Christen all,
kommt her zum Kindlein in dem Stall;
freut euch von Herzen ihr Christen all,
kommt her zum Kindlein in dem Stall.

2) Das Kindlein auserkoren, freu dich, du Christenheit,
das in dem Stall geboren, hat Himmel und Erd erfreut.
Freut euch von Herzen, ihr Christen all,
kommt her zum Kindlein in dem Stall;
freut euch von Herzen ihr Christen all,
kommt her zum Kindlein in dem Stall.

Gebet:

Offenbarter und manchmal doch noch so verborgener Gott!

Wir haben Weihnachten gefeiert. Wir haben davon erzählt, dass Du Mensch geworden bist. Wir haben viele Lichter entzündet, um die Dunkelheit um uns zu vertreiben. So manches war erfüllend und schön. Hat uns Freude beschert und uns Mut gemacht.

Anderes blieb im Zweifel und der Dunkelheit stecken. Deine Geburt liegt so weit zurück. Genügt uns das Zeugnis anderer, um das zu erfassen, was Du für uns bist? Oder sehnen wir uns nach mehr? Nach mehr Klarheit? Nach mehr Wahrheit? Nach mehr Herrlichkeit?
Oft fühlen wir uns nicht so gewiss, wie Johannes.

Aber vielleicht ist das schon mehr Gnade als wir wissen. Dieses Unruhig sein. Dieses Warten. Dieses sich Ausstrecken nach dem Leben. Darin begegnest Du uns bereits im Hier und Heute. Klein, sanft und demütig. Und eines Tages, darauf hoffen und vertrauen wir, werden auch wir voller Gewissheit sagen: meine Augen haben den Heiland gesehen.

Dein Wort ist uns auf diesem inneren Weg Licht und Schein. Sende uns deinen Geist, damit es uns neu zum Zeugnis, zur Ermutigung und zur Freude wird.

Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 57, 1: Uns wird erzählt von Jesus Christ

1) Uns wird erzählt von Jesus Christ, uns wird erzählt von Jesus Christ,
dass er als Mensch geboren ist, dass er als Mensch geboren ist.
Christ ist geboren! Christ ist geboren! Darüber freun wir uns.

Predigt: Lk 2,25-38

Liebe Gemeinde!

Der vorgeschlagene Predigttext für diesen Sonntag steht in Lk 2. Eine lange Erzählung, die ich in drei Abschnitte teilen werde:

Und als die Tage ihrer Reinigung (Maria) nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie (Maria und Josef) ihn (Jesus) nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen, wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn (2. Mose 13,2; 13,15): „Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen“, und um die Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: „ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ (3. Mose 12,6-8).

I.

Maria hat sich wohl schon früh daran gewöhnt, dass es mit der Ruhe der Tage durch die Geburt dieses Kindes vorbei war. Bestimmt, in gewisser Weise erfahren das ja alle jungen Eltern. Schlaflose Nächte, ängstliches Horchen auf das Atmen des Kleinen, stillen, wickeln, baden… Doch so einen Auflauf, das erleben dann doch wohl die Wenigsten. Ein solch unbändiges Interesse an einem neugeborenen Kind, das sprengt dann doch den Rahmen der sonst üblichen Neugierde. Wer war nicht alle da, bei Maria und Josef im Stall. Hirten stolperten mitsamt den Schafen herein. Dies bestimmt nicht darum, weil sie noch nie einen Säugling gesehen haben. Schüchtern streichen sie dem Baby über die feinen Haare.

Sogar sogenannte Magier fanden das junge Paar. Sind dem Licht eines Sterns gefolgt. Konnten aber nicht glauben, dass ein solch wichtiges Kind mit eigenem Stern nicht im Palast zu Jerusalem zur Welt gekommen ist. Machten darum einen mühseligen Umweg über die Hauptstadt, bis sie Jesus endlich an diesem verlassenen Ort vor der Stadt gefunden haben.

Schon sind vierzig Tage um. Das Paar macht sich auf zum Tempel. So ist es Sitte und Tradition.

Im Halbdunkel des Raumes sitzt ein alter Mann. Als sie mit Jesus eintreten, kommt er auf sie zu. Nimmt das Baby auf den Arm. Sichtlich berührt murmelt er Worte wie Frieden, Heiland.

Maria lässt es zu. Sie packt ihr Kind nicht in Watte. Es darf angefasst und berührt werden. Das gehört zum Menschsein dazu. Berühren und sich berühren lassen. Noch oft wird Jesus das erleben. Ahnt sie schon, wie hart er dies am Ende seines Lebens erfahren wird?

II.

Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon: und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm. Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:

HERR, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen -, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.

Mit Sicherheit war er eine Persönlichkeit, ein Mann, den man kannte in Jerusalem. Von den einen hoch verehrt, von den anderen misstrauisch beäugt. Manche trauten ihm wohl nicht ganz über den Weg, diesem Simeon. Er war so anders. Und mit Andersartigen umzugehen, ist nicht immer leicht. Auf allgemeine Meinungen gab er wenig bis nichts. Auch das, was gesagt wurde, ließ ihn meistens unbeeindruckt. War er eigentlich taub? Das vielleicht gerade nicht, aber blind, das war er doch bestimmt, oder?

Aber das wirklich Besondere an ihm war, dass er wartete. Er war ein alter, wartender Mann. Auf den Tod vermuteten alle. Auf das Leben war seine Antwort.

Simeon, ein Mann, der darauf wartet, dass das Entscheidende noch geschieht.

Wie ist das möglich, raunen sich die Leute zu. Sind seine besten Jahre nicht schon längst vorbei? Die Unbeschwertheit der Jugend? Die ersten Liebschaften? Erfolg im Beruf? Die Geburt seiner Kinder?

Simeon schüttelt den Kopf. Wie können das die Menschen nicht begreifen? Nie hat er verstanden, dass Menschen bei der Hochzeit vom schönsten Tag ihres Lebens sprechen. Was ist denn mit denen danach? Mit der gemeinsamen Zeit. Ist das etwa nur noch das zweit-, dritt- oder gar Viertschönste?

„Ich, Simeon“, so würde er sagen, „habe es anders gehalten. Gewiss, auch mein Weg war nicht nur Sonnenschein und Freude. Doch es hätte schlimmer kommen können. Viel Schönes war dabei, aber das Schönste steht noch aus.

Glaubt nicht, dass dies meine eigenen Gedanken sind. Unmöglich könnte ich mir in meinem Warten so sicher sein, wenn nicht Gottes Geist zu meinem Herzen sprechen würde. Er begleitet mich jeden Tag. Er bestimmt mein Ziel. So gehe ich durchs Leben. Noch immer auf das Beste wartend. Dabei sind alle Wege offen. Wie soll ich wissen, was geschieht? Das was gefunden wird, ist unbekannt. Ein heiliges Abenteuer. Das erfüllt mich mit großer, stiller Vorfreude. Nennt das ruhig fromm.“

Simeon, in ihm begegnen wir sozusagen der Rückseite des Weihnachtsfestes. Es sind nicht die äußerlichen Dinge, wie Engel, Hirten, Sterne oder Licht, die ihn aufbrechen lassen, um das, was ihn erfüllt zu finden. Es ist die innere Stimme seines Herzens, die ihn in Bewegung setzt und letztendlich finden lässt.

III.

Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels, aus dem Stamm Asser, die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte, und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

Noch jemand hielt sich an diesem Morgen der sogenannten Darstellung Jesu im Tempel auf. Von vielen gar nicht mehr wahrgenommen, so gehörte sie schon an diesen Platz. Alt ist sie geworden, die gute Hanna. Doch nur äußerlich. Innerlich ist sie nach wie vor frisch und jugendlich. Ob es mit ihrer Aufgabe zusammenhängt? „Natürlich“ würde sie wohl darauf antworten. „Die Aufgabe lässt mich morgens aufstehen, auch dann, wenn meine alten Glieder dies eigentlich nicht wirklich wollen. Sie gibt mir Struktur und Halt. Ich begegne ganz selbstverständlich vielen Menschen. So mancher erzählt mir aus seinem Leben. Berichtet von seinen Sorgen, seinen Ängsten und Nöten. Wer könnte dies besser verstehen als ich, die ich schon so lange alleine als Witwe lebe.

Stille und Hinhören haben mich viel gelehrt und manches erkennen lassen. Das mag der Grund sein, warum mich so mancher Prophetin nennt.

Selbstverständlich kenne ich Simeon gut. Er ist wie ich häufig im Tempel anzutreffen. Manchmal plaudern wir zusammen.

Ich will doch sehen, was er da mit den Eltern dieses kleinen Kindes verhandelt, die soeben eingetreten sind.

Was sagt er da?:

HERR, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Lange habe ich darüber gerätselt, was diesen guten Mann umtreibt. Jetzt aber, wo ich ihn so über das Kind gebeugt sehe, beginne ich zu verstehen. Seine Freude ist ansteckend. Das sollen auch andere erfahren. Hoffentlich kann ich mich noch oft mit Simeon unterhalten. In diesen Tagen zwischen den Jahren sollte das ja möglich sein.“

Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 56,1-3: Weil Gott in tiefster Nacht erschienen

Kehrvers: Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein.

1. Der immer schon uns nahe war, stellt sich als Mensch dem Menschen dar.
     Kehrvers.

2. Bist du der eignen Rätsel müd? Es kommt, der alles kennt und sieht!
     Kehrvers.

 3. Er sieht dein Leben unverhüllt, zeigt dir zugleich dein neues Bild.
     Kehrvers.

Gebet: 

Verborgener Offenbarer!

Manchmal bist du uns so nahe, dass wir denken, wir könnten Dich erfassen. Dann wiederum so fern, dass es wehtut. Wir wollen wie Simeon offen bleiben für das Wunder Deiner Gegenwart. Wir wollen wie Maria mit großem Vertrauen Nähe zulassen, auch da, wo sie uns früher oder später Schmerzen zufügt. Und mit Hanna wollen wir immer wieder unseren Platz und unsere Aufgabe in Deiner Nähe suchen und finden. Halte du selbst unsere Sehnsucht nach Dir, unserm Urgrund und unserer Vollendung wach, auf dass auch wir den Heiland schauen.

Das bitten wir nicht nur für uns, sondern für alle Menschen, die sich im Dunkel des Lebens verirren und verirrten. Die voller Sorge und Angst auf das schauen, was kommen wird. Für die das neue Jahr bereits seit Längerem seinen Schatten vorausgeworfen hat, weil sie wissen, dass es viele Herausforderungen mit sich bringen wird.

Wir bitten dich für alle, deren Leid namenlos ist und ohne Wort und Ton zum Himmel schreit. Für die, die sich selbst schon längst abgeschrieben haben, die nicht mehr warten, die nicht mehr hoffen, die innerlich abgestorben sind.

Unzähliges Leid lässt uns oft stumm werden. Und so wollen wir in der Stille noch das vor Dich bringen, was uns ganz persönlich auf dem Herzen liegt, auch wenn es ohne Worte geschieht …

Stille….

Mit den Worten Jesu wollen wir unser Gebet beschließen:

Unser Vater im Himmel …

Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 23, 1-2.4: Gelobet seist du, Jesus Christ

1) Gelobet seist du, Jesus Christ, dass du Mensch geboren bist von einer Jungfrau das ist wahr; des freuet sich der Engel Schar. Kyrieleis.

2) Des ewgen Vaters einig Kind jetzt man in der Krippe find´t; in unser armes Fleisch und Blut verkleidet sich das ewig Gut. Kyrieleis.

4) Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein´ neuen Schein; es leucht´ wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht. Kyrieleis.

Segen:

Möge Gott Dein Suchen und Finden segnen. Er halte in Dir die Unruhe wach, die nach der Wahrheit fragt. Er lasse dich im Schatten seiner Gnade neue Kraft tanken. Er offenbare Dir seine Herrlichkeit und du bist im Frieden.

So segne dich der Herr, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Amen.