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Online-Andacht aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 19. Juli 2020
mit Pfr. Johannes Wittich


Spruch: Jesaja 43, 1:

Und nun, so spricht der HERR, dein Schöpfer, Jakob, und der dich
gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.

Begrüßung:

Wir sind nicht Teil einer anonymen Masse, auch nicht unter den
Abermillionen von Menschen, die Gott als seiner Kinder ansieht. Einen jeden, eine jede von uns kennt er, weiß, wer wir sind, durchschaut, wie es um uns steht. Das ist gut so. Wir wissen: wir sind Gott wichtig.

Wenn wir Gottesdienst feiern, gemeinsam in der Kirche, einzeln alleine zu Hause, verbunden durch Gedanken und Gebet, ist Gott da, bei uns, mitten unter uns. So feiern wir, wo immer wir gerade sind, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet: Psalm 139, 1b-14:

HERR, du hast mich erforscht, und du kennst mich.
Ob ich sitze oder stehe, du weisst es,
du verstehst meine Gedanken von fern.
Ob ich gehe oder liege, du hast es bemessen,
und mit allen meinen Wegen bist du vertraut.
Kein Wort ist auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht ganz und gar kennst.
Hinten und vorne hältst du mich umschlossen,
und deine Hand hast du auf mich gelegt.
Zu wunderbar ist es für mich, dies zu erkennen,
zu hoch, ich kann es nicht fassen.
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist
und wohin fliehen vor deinem Angesicht?
Stiege ich hinauf zum Himmel, du bist dort,
und schlüge ich mein Lager auf im Totenreich, sieh, du bist da.
Nähme ich die Flügel der Morgenröte
und liesse mich nieder am äussersten Ende des Meeres,
auch dort würde deine Hand mich leiten
und deine Rechte mich fassen.
Und spräche ich: Finsternis breche über mich herein,
und Nacht sei das Licht um mich her,
so wäre auch die Finsternis nicht finster für dich,
und die Nacht wäre licht wie der Tag, Finsternis wie das Licht.
Denn du bist es, der meine Nieren geschaffen,
der mich im Leib meiner Mutter gewoben hat.
Ich preise dich, dass ich so herrlich, so wunderbar geschaffen bin;
wunderbar sind deine Werke, meine Seele weiss dies wohl.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 352, 1-4: Alles ist an Gottes Segen

1) Alles ist an Gottes Segen
und an seiner Gnad gelegen,
über alles Geld und Gut.
Wer auf Gott sein Hoffnung setzet,
der behält ganz unverletzet
einen freien Heldenmut.

2) Der mich hat bisher ernähret
und mir manches Glück bescheret,
ist und bleibet ewig mein;
der mich wunderbar geführet
und noch leitet und regieret,
wird hinfort mein Helfer sein.

3) Soll ich mich bemühn um Sachen,
die nur Sorg und Unruh machen
und ganz unbeständig sind?
Nein, ich will nach Gütern ringen,
die mir wahre Ruhe bringen,
die man in der Welt nicht find’t
.

4) Hoffnung kann das Herz erquicken,
was ich wünsche, wird sich schicken,
wenn es meinem Gott gefällt;
meine Seele, Leib und Leben
hab ich seiner Gnad ergeben
und ihm alles heimgestellt.

Predigt: 5. Mose 7, 6-11

6 Denn du bist ein Volk, das dem HERRN, deinem Gott, geweiht ist. Dich hat der HERR, dein Gott, aus allen Völkern auf der Erde für sich erwählt als sein eigenes Volk.
7 Nicht weil ihr zahlreicher wäret als alle anderen Völker, hat sich der HERR euch zugewandt und euch erwählt – denn ihr seid das kleinste von allen Völkern -,
8 sondern weil der HERR euch liebte und weil er den Eid hielt, den er euren Vorfahren geschworen hatte, darum führte euch der HERR heraus mit starker Hand und befreite dich aus dem Sklavenhaus, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten.
9 So sollst du erkennen, dass der HERR, dein Gott, Gott ist, der treue Gott, der den Bund hält und die Gnade bewahrt denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, bis zur tausendsten Generation.
10 Denen aber, die ihn hassen, vergilt er ins Angesicht, und er vernichtet jeden; und er zögert nicht bei dem, der ihn hasst, ins Angesicht vergilt er ihm.
11 Darum halte das Gesetz, die Satzungen und Rechte, die ich dir heute gebe, und handle danach.

Liebe Gemeinde!

Erwählt zu sein – ist das wirklich so gut? Gottes erwähltes Volk waren und sind die Juden. In den Worten des Mose wird klar und deutlich auf den Punkt gebracht: Gott hat sich nicht ein großes, mächtiges Volk ausgesucht. Sondern ganz einfach das Volk, das er zu lieben sich entschieden hat. Dem gegenüber er sich verpflichtet hat, bis heute und auch in die Zukunft hinein: ich bin euer Gott. Ich sorge für euch.

Erwählt zu sein hat für die Juden in ihrer Geschichte ganz sicher nicht geheißen, es besonders einfach zu haben. Ganz im Gegenteil: wie in der Vergangenheit mit Gottes Volk umgegangen worden ist, ist schockierend. Dass Nicht-Juden die Erwählung nicht anerkennen, das ist ja an sich noch zu verstehen. Von außen gesehen kann die Erwählung erst einmal nur eine Behauptung sein. Aber mit welchem Hass Jüdinnen und Juden verfolgt worden sind, welcher Hass sich auch heute noch immer wieder zeigt, ist unverständlich. Gerade dann, wenn Ablehnung und Verfolgung von christlicher Seite kommt. Schließlich glauben auch wir an den „Gott der Väter“, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott unserer jüdischen Geschwister. Wo Christinnen und Christen sich judenfeindlich äußern, stellen sie die Entscheidungen Gottes in Frage. Eben die Entscheidung, sich ein Volk zu erwählen. Antisemitismus ist somit, nach christlichem Verständnis, Gotteslästerung.

Mit der Erwählung ist für das Volk Israel auch eine besondere Verantwortung verbunden. Auch das erklärt Mose: unser Auftrag ist es, nach Gottes Geboten zu leben. Das ist sozusagen „part of the deal.“ Die Gebote einzuhalten ist aber nicht ein Akt blinder Unterwerfung, nein: mit dem Halten der Gebote bekommt das Zusammenleben der Menschen eine höhere Qualität. Die Gebote sind das „Werkzeug“ für die Gestaltung eines guten Lebens für Alle. Die Gebote sind ein Geschenk, das mit der Erwählung einhergeht.

Und trotzdem: gerade das so erwählte Volk hat ganz besonders viel erleiden müssen. Wie es ein jüdischer Komiker aus New York einmal so schön ironisch auf den Punkt gebracht hat: „Lieber Gott! Das nächste Mal erwähle bitte ein anderes Volk!“ Erwählung ist also eine besondere Last?

Das wäre eine Frage, die auch uns Christinnen und Christen betrifft. Schließlich ist es unser fester Glaube, dass wir durch die Taufe auch zu den „Erwählten“ gehören. Wieder nicht, weil wir etwas dazu beigetragen hätten, sondern allein deshalb, weil Gott es so entschieden hat. So wie es unser Reformator Johannes Calvin einmal ausgedrückt hat: „Willst du Gewissheit darüber haben, ob du erwählt bist? Dann sieh dich selbst in Christus an! Denn alle, die im Glauben mit Jesus Christus wahrhaft verbunden sind, dürfen ganz sicher sein, dass sie zum Kreis der ewigen Erwählung Gottes gehören und zu seinen Kindern zählen.“

Mit dieser besonderen Erwählung geht auch für uns eine besondere Verantwortung einher. Unter den „Erwählten“ soll es zugehen, wie Gott es sich vorgestellt hat, mit Liebe, Respekt, Rücksicht und Mitgefühl. Das kann manchmal eine Herausforderung sein. Wir können aber ruhig etwas riskieren, in der Gestaltung des Zusammenlebens mit unseren Mitmenschen. Weil die Grundlage unseres Handelns das Getragen-Sein durch Gott ist. Und das kann uns niemand nehmen.

In der kirchlichen Jugendarbeit der DDR damals gab es einen „Protestsong“ gegen die Bevormundung durch das sozialistische Regime. Mit ihm hat man sich gegen den Vorwurf, sich als Christinnen und Christen als etwas Besonderes zu fühlen, zur Wehr gesetzt. Eine Liedzeile daraus lautete: „Besser sind wir nicht – aber besser sind wir dran.“

Das stimmt auch heute noch Weil wir auf Gott vertrauen können. Amen.

Gebet:

Guter Gott,
wir kommen zu dir,
folgen deinem Ruf,
vertrauen auf deine Verheißungen,
bitten um deinen Segen.
Du hast uns erwählt,
durch die Taufe wurden wir
zu deinen Söhnen und Töchtern.
Dafür danken wir dir
.

Wir bitten dich:
Gib uns einen klaren Blick und einen wachen Geist.
Zeige uns den Weg, den du für uns vorgesehen hast.
Mach uns Mut, dir zu folgen und deinem Wort zu trauen.

Wir bitten dich für die Menschen,
die in Krisengebieten leben,
die unter Gewalt und Krieg leiden,
die auf der Flucht sind und alles verloren haben.
Stärke sie auf ihrem Weg.

Wir bitten dich für die Menschen,
die um einen Menschen trauern.
Wir bitten dich für die Einsamen und Kranken,
stelle ihnen Menschen zur Seite,
die sie trösten und begleiten.

Wir bitten dich für uns alle:
Gib uns Mut zu ändern, was wir ändern können.
Gib uns Kraft zu ertragen, was wir nicht ändern können.
Gib uns Hoffnung, dass du unser Leben begleitest
und zu einem guten Ziel führst.
Amen.

(Haike Gleede)

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen
.

Musik: Evangelisches Gesangbuch, 103, 1.2.5: Gelobt sei Gott im höchsten Thron, gesungen von der Gemeinde im Ostersonntagsgottesdienst auf Ö1