Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst zu den Weihnachtsfeiertagen
aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten,
mit Gerti Rohrmoser und Johannes Wittich

Orgelvorspiel: Johannes Wolfram: Improvisation

Mit freundlicher Genehmigung des Komponisten.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 27, 1.2.5.6: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich

1) Lobt Gott, ihr Christen alle gleich,
in seinem höchsten Thron,
der heut schließt auf sein Himmelreich
und schenkt uns seinen Sohn,
und schenkt uns seinen Sohn.

2) Er kommt aus seines Vaters Schoß
und wird ein Kindlein klein,
er liegt dort elend, nackt und bloß
in einem Krippelein,
in einem Krippelein.

5) Er wird ein Knecht und ich ein Herr;
das mag ein Wechsel sein!
Wie könnt es doch sein freundlicher,
das herze Jesulein,
das herze Jesulein!

6) Heut schließt er wieder auf die Tür
zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür.
Gott sei Lob, Ehr und Preis,
Gott sei Lob, Ehr und Preis!

Spruch: Jh. 1, 14a:

Und das Wort, der Logos, wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit.

Begrüßung:

Auch wenn eigentlich der 25. Dezember als Geburtstag von Jesus gefeiert wird – das eigentliche Weihnachtsfest findet für viele bereits in der „Heiligen Nacht“ davor statt. Das ist auch gut so; sind doch viele Emotionen und Stimmungen mit diesem Fest verbunden. Das bringt es aber auch mit sich, dass wir uns am ersten und zweiten Weihnachtstag schon fast ein bisschen in „nachfestlicher“ Stimmung befinden, weil eben das große Feiern schon gewesen ist.

Auch das Johannesevangelium spricht vom Kommen Gottes in die Welt zunächst einmal in der Vergangenheitsform: „das Wort, der Logos, wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit.“ Ja, mit der Menschwerdung Gottes ist etwas Einzigartiges geschehen. Es ist aber nicht ein Ereignis, dass einmal geschehen und damit bereits wieder vorbei ist. Es ist ein Ereignis, das bis heute nachwirkt: Gott ist mitten unter uns.

Das machen wir uns wieder bewusst, wenn wir heute feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

Guter Gott,
die Zeit des Wartens auf Deine Ankunft ist vorüber,
die heilige Nacht vorbei.
Ein Tag noch oder zwei,
dann steht der Alltag wieder in unserer Tür,
der Glanz verblasst, die Sehnsucht
verkriecht sich wieder in den geheimen Winkeln unserer Seele.
Die Freude weicht wieder der Unrast,
was wir noch im Blick haben,
ist lediglich der Kalenderwechsel.
Erinnere uns an Deine Zeitrechnung, guter Gott,
Nach all dem Warten,
und all den Vorbereitungen
gib inmitten unserer Gewohnheiten
und trotz allem,
was immer schon so war,
Deiner Weihnachtsbotschaft in uns eine Chance.
Amen.

Weihnachtsgeschichte für Kinder:

Hallo ihr Lieben, ich bin es wieder Fieps!
Ich glaube ich habe euch noch gar nicht erzählt, woher ich meinen schönen Namen habe! Ich bin nach einem Urururururururururu-Onkel benannt worden. Naja, eigentlich hieß er Fiepianus. Meinen Eltern war das aber zu lang und sie nannten mich dann nur Fieps. Jedenfalls war dieser Fiepianus eine ganz besondere Maus. Er war nämlich die Hausmaus eines gelehrten Sterndeuters. Sterndeuter waren ganz kluge Menschen, die aus den Sternen verschiedenes herauslesen konnten. Jedenfalls bekam mein Ururururururur-Onkel mit, wie dieser Sterndeuter zu seiner Frau sagte, dass er sich auf eine Reise machen müsste, denn die Sterne zeigten etwas Außergewöhnliches und er brauchte ein ganz kostbares Geschenk. Da wurde Fiepianus natürlich hellhörig, er wollte wissen was da vorging. Also packte auch er paar Sachen zusammen- eine Maus braucht ja nicht so viel Gepäck und sagte zu meiner Urururururururur-Tante, dass er unbedingt mit auf diese Reise gehen muss. Er war halt eine sehr neugierige Maus. Fiepianus versteckte sich einfach in der Kiste wo das Geschenk aufbewahrt wurde. Es war Myrrhe, das ist ein sehr intensiv riechendes Harz, das damals sehr wertvoll war. Fiepianus störte der Geruch nicht – zum Glück, denn die Reise war wirklich sehr lange. Am Weg gesellten sich dann noch weitere Sterndeuter aus anderen Ländern dazu. Auch sie hatten Geschenke mit. Fiepianus hatte in seiner Neugier natürlich sofort die anderen kostbaren Geschenke inspizieren müssen. Das eine war Weihrauch–auch ein kostbares intensiv riechendes Harz und das andere war Gold. Fiepianus bekam auch mit wie sich die Männer unterhielten. Es ging um einen Stern dem sie folgten. Sie waren überzeugt, dass dieser Stern sie zu einem gerade geborenen Kind führen wird. Und dieses Kind sollte einmal ein König werden. Natürlich war der damals regierende König Herodes nicht so begeistert, als er von den Sterndeutern erfuhr dass sie einen neugeborenen König suchten. Mein Ururururururur-Onkel hat das alles mitbekommen, da er als kleine Maus sich überall gut verstecken konnte. Er hörte wie Herodes seine gelehrten Männer rief und sie ausfragte. Diese bestätigten ihm, dass es schon vor sehr langer Zeit von einem Propheten Namens Micha vorhergesagt wurde, dass in Bethlehem, im Land Juda ein König geboren wird der das Volk Israel führen soll. Dann rief Herodes die Sterndeuter zu sich und sagte sie sollen sofort zu ihm zurückkommen, wenn sie das Kind gefunden hätten, denn auch er wolle den neuen König sehen. Fiepianus bekam es richtig mit der Angst zu tun, denn er war auch ein guter Menschenkenner und wusste sofort, dass Herodes sicher nichts Gutes vorhatte. Jedenfalls folgten sie dem Stern weiter und plötzlich blieb er stehen. Da freuten sich alle, denn jetzt waren sie am Ziel. Denn dort wo der Stern stehen blieb gab es wirklich ein Kind. Es wurde gerade von Maria der Mutter in den Armen gehalten. Die Sterndeuter warfen sich vor dem Kind auf die Knie und übergaben die Geschenke. Mein Ururururururur-Onkel musste schnell unauffällig aus der Kiste huschen, denn er wusste das Mäuse nicht ganz so bliebt bei Menschen waren. Warum weiß ich bis heute nicht, wo wir doch so süß sind…aber das ist jetzt eine andere Geschichte. Jedenfalls haben die Männer am nächsten Morgen beschlossen nicht wieder zu Herodes zu gehen und einen anderen Weg nach Hause zu nehmen. Sie hatten in der Nacht alle einen Traum gehabt, wo Gott ihnen das gesagt hatte. Fiepianus viel ein Stern vom Herzen…hihi ich meinte natürlich ein Stein…aber Stern passt da jetzt irgendwie auch gut-oder!? Er hatte ja sofort gewusst, dass man diesem Herodes nicht trauen konnte. Jedenfalls reiste mein Ururururururur-onkel dann mit dem Sterndeuter wieder nach Hause und konnte alles seiner Familie berichten. Meine Ururururururur-Tante freute sich besonders, denn Fiepianus duftete so gut. Naja, er hat ja die ganze Reise bis nach Jerusalem in der Kiste mit der Myrrhe verbracht und so hat sein Fell natürlich den Geruch angenommen.
So, jetzt kennt ihr auch die Geschichte meines Ururururururuur-Onkel nachdem ich benannt worden bin. Immerhin war er der erste, der den kleinen Jesus-das war nämlich das Baby- gesehen hatte.

(Ariane Simml)

Lied: Es ist für uns eine Zeit angekommen

1) Es ist für uns eine Zeit angekommen,
es ist für uns eine große Gnad‘.
Unser Heiland Jesu Christ,
der für uns, der für uns,
der für uns Mensch geworden ist.

2) In der Krippe muss er liegen,
und wenn’s der härteste Felsen wär’:
Zwischen Ochs’ und Eselein
liegest du, liegest du,
liegest du, armes Jesulein.

3) Drei König’ kamen, ihn zu suchen,
der Stern führt’ sie nach Bethlehem.
Kron’ und Zepter legten sie ab,
brachten ihm, brachten ihm,
brachten ihm ihre reiche Gab’.

Predig:

Liebe Gemeinde!

Als Mose sein Volk aus der Gefangenschaft in Ägypten herausgeführt hatte, war es, wenn wir dem biblischen Bericht folgen, viele Jahre unterwegs, bis man nach vielen Um- und Irrwegen endlich an der Grenze des verheißenen Landes stand. – In vielen Schlachten hatte der unbändige Überlebenswille des Volkes Israel zum Erfolg geführt, seine Kampfkraft war berühmt und berüchtigt. Nun endlich lagerten die Israeliten in der Ebene am Jordan, ihrem Ziel, dem von Gott gelobten Land, schon zum Greifen nah. Dummerweise flossen aber in diesem Land nicht nur Milch und Honig, sondern es war bewohnt vom Volk Moab. Und, wie es bis heute so ist, die Einwohner des Landes hatten keine Lust, das, was sie ihre Heimat nannten mit den Israeliten zu teilen. Der König der Moabiter setzte seine Truppen in Alarmbereitschaft, man stellte bis an die Zähne bewaffnete Grenzposten auf. Aber Balak, so hieß der König, vergaß auch die psychologische Kriegsführung nicht. Er schickte Boten aus nach Petor am Euphrat um den weithin bekannten Seher und Propheten Bileam um Hilfe zu bitten. Er sollte kommen und die Israeliten verfluchen. Der Bericht legt nahe, dass Bileam im Verfluchen einschlägige Erfahrung hatte. Aber diesmal lehnt er ab. Er, der kein Israelit war, ließ Balak ausrichten, Gott habe ihm verboten mit den Boten mitzugehen. Balak war wütend, enttäuscht und sehr besorgt. Aber er war auch schlau und entnahm offenbar der Botschaft Bileams, dass seine Absage ein wenig halbherzig war. Jeder Mensch hat seinen Preis, dachte er und schickte die Boten noch einmal los, diesmal mit dem Versprechen auf reichlich Belohnung. Zunächst winkt Bileam wieder ab, aber nach einer nächtlichen Unterredung mit Gott, in der Gott dem Bileam befiehlt, mit den Männern zu gehen, jedoch nur das zu tun, was er, nämlich Gott, ihm eingibt macht, man sich in aller Frühe zum Aufbruch bereit:

Predigtext: 4. Mose 22, 22-35:

22Da entbrannte der Zorn Gottes, weil er ging, und der Bote des Herrn trat ihm als Widersacher in den Weg, während er auf seiner Eselin ritt und seine zwei Diener ihn begleiteten. 23Und die Eselin sah, wie der Bote des Herrn auf dem Weg stand, mit gezücktem Schwert in der Hand. Da wich die Eselin ab vom Weg und lief über das Feld. Bileam aber schlug die Eselin, um sie auf den Weg zurückzulenken.
24Da trat der Bote des Herrn in den Hohlweg zwischen den Weinbergen, wo auf beiden Seiten Mauern waren. 25Und die Eselin sah den Boten des Herrn und zwängte sich an die Wand und drückte Bileams Fuss gegen die Wand. Da schlug er sie wieder. 26Der Bote des Herrn aber ging weiter voraus und trat an eine enge Stelle, wo man weder nach rechts noch nach links ausweichen konnte. 27Und die Eselin sah den Boten des Herrn und ging unter Bileam in die Knie. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stock. 28Der Herr aber öffnete der Eselin den Mund, und sie sprach zu Bileam: Was habe ich dir getan, dass du mich dreimal geschlagen hast?
29Da sprach Bileam zu der Eselin: Weil du deinen Mutwillen mit mir getrieben hast. Wäre ein Schwert in meiner Hand, so würde ich dich jetzt töten. 30Die Eselin aber sprach zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du zeitlebens geritten bist bis zum heutigen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben? Und er sprach: Nein. 31Da öffnete der Herr Bileam die Augen, und er sah, wie der Bote des Herrn auf dem Weg stand, mit gezücktem Schwert in der Hand. Und er verneigte sich und warf sich nieder auf sein Angesicht.
32Der Bote des Herrn aber sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin dreimal geschlagen? Sieh, ich bin als dein Widersacher ausgezogen, denn dein Weg ist verkehrt in meinen Augen.
33Die Eselin aber hat mich gesehen, und dreimal ist sie mir ausgewichen. Wäre sie mir nicht ausgewichen, so hätte ich dich jetzt umgebracht, sie aber am Leben gelassen. 34Da sprach Bileam zum Boten des Herrn: Ich habe gesündigt, denn ich habe nicht erkannt, dass du mir auf dem Weg entgegengetreten bist. Wenn dir nun aber die Sache missfällt, will ich umkehren. 35Der Bote des Herrn aber sprach zu Bileam: Geh mit den Männern, doch sollst du nur das reden, was ich dir sagen werde. So ging Bileam mit den Fürsten Balaks.

Ich kann mir gut vorstellen, wie genervt der Seher Bileam gewesen sein muss. Dieses ständige Hin und Her. Erst der penetrante König Balak, der ihn, den Promi unter den Sehern, für seine Zwecke einsetzen möchte, ja ihn versucht zu kaufen. Mühsam, dem König klar zu machen, dass das nicht geht. Aber noch mühsamer ist das Verhalten Gottes. Bileam hat einen sichtlich guten Draht zu Gott. Auf der einen Seite weiß er, was Gott will: niemals würde er zulassen, dass irgendwer sein auserwähltes Volk, die Israeliten, verflucht. Das weiß er, Bileam, der selbst kein Israelit ist. Allerdings ist auch für ihn Gott der Gott schlechthin. Auf der anderen Seite ist an diesem einzigen Gott auch einiges rätselhaft, und zwar mühsamst rätselhaft: Gottes Volk verfluchen, das geht nicht. Aber trotzdem soll Bileam mit den Vertretern des Königs von Moab mitgehen. Sozusagen in geheimer Mission. Gott wird ihm sagen, was er zu tun haben wird. Aber kaum tut er das, ist Gott sauer. Was Bileam allerdings zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht weiß. Die Reise wird zum Desaster, weil seine Eselin plötzlich ihren eigenen Kopf durchsetzen muss: zuerst kommt sie von der Straße ab und hoppelt über ein Feld. Dann quetscht sie Bileam in einem Hohlweg zwischen zwei Mauern ein. Und dann haut sie sich auch noch auf den Boden. Einfach so, scheint es. Ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit als treues und verlässliches Tier.

Was Bileam empfindet, können wir nur zu gut verstehen. Seine Geschichte ist, so finde ich zumindest, eine passende Geschichte für den Morgen nach dem Heiligen Abend. Wie schön und harmonisch doch gerade noch alles gewesen ist, gestern, vor dem Christbaum, in der „Heiligen Nacht“. Alles war so, wie es sein sollte, wie es immer ist, wie es sein muss, damit der Heilige Abend seinen besonderen Zauber entfalten kann. Auch die biblische Spezies „Esel“ war noch dort, wo sie hingehört: in die Krippe, als stummer, treuer, ergriffener Zeuge der Geburt des Erlösers. Aber am Morgen danach beginnt dieses Bild zu bröckeln. Das Leben mit all seinen verwirrenden, herausfordernden, Sorgen machenden Aspekten beginnt sich wieder in den Vordergrund zu drängen. Und Esel beginnen wieder ihr angeblich typisches störrisches Eigenleben zu entwickeln …

Allerdings: wenn Bileam genervt war – wie genervt muss dann die Eselin gewesen sein!! Über Jahre hatte sie ihn, den berühmten Seher über jedes unwegsame Gelände getragen, ihm alle Lasten geschleppt und jetzt? Der berühmte Seher! Nicht nur blind wie ein Maulwurf gegenüber der Gefahr, die sich vor ihm aufbaut, nein, auch noch so hochmütig zu glauben, die Eselin würde ganz ohne Grund, aus purer Launenhaftigkeit den Gehorsam verweigern und ausbrechen. Als ob sie das jemals getan hätte! – Und unser spätes, westliches Denken glaubt das auch noch ganz leicht. Denn es ist geprägt von dem Bild des Esels, der in der griechisch/römischen Antike vorherrschte und ihn als träge, dumm und störrisch beschreibt. In der biblischen Überlieferung sind Esel eigentlich sehr geachtete Tiere. Aber Bileam versteht gar nichts. Der berühmte Seher – zu sehr von sich eingenommen kommt er gar nicht auf die Idee ein Tier – noch dazu ein weibliches! – könne eine Situation besser überschauen und beurteilen als er. Und er reagiert, wie Menschen dann gern reagieren, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen können: mit Gewalt. Er prügelt die Eselin derartig, dass Gott einschreitet und ihr vorübergehend die Gabe der menschlichen Sprache verleiht. – Stellen sie sich vor, das würde heutzutage passieren, wenn Tiere schlecht behandelt werden –da könnten wir uns ganz schön was anhören!

Aber wundert sich Bileam vielleicht, dass das Tier plötzlich spricht? Ist er einsichtig? Nein, erst einmal nicht. Er bedroht die Eselin sogar noch mit dem Tod. Sie muss ihn sehr deutlich drauf hinweisen, was sie bisher alles für ihn ohne alles Murren geleistet hat, bevor er endlich zur Besinnung kommt und sieht, was sie schon lang gesehen hat. Wer von den beiden ist also die wahre Seherin und wer der Esel?

Vielleicht ist der Esel ja deshalb in die Weihnachtsgeschichte hineingeraten. Denn in der ursprünglichen Erzählung des Lukas kommt er nicht vor, dort ist der Stall von Betlehem leer. Aber schon Hieronymus, 300 Jahre später, stellt Ochs und Esel als erste Gefährten an die Krippe des neugeborenen Jesuskindes. Mit Hinweis auf eine Textstelle beim Propheten Jesaja, wonach der Ochse seinen Besitzer kenne und der Esel seine Krippe und diese Tiere mehr Einsicht hätten als das Volk Israel …

Hieronymus verlagert diese Erkenntnis in den Stall von Betlehem: Herodes und die Schriftgelehrten haben nichts verstanden und während die Bewohner von Betlehem die Fremden an den Rand, aus der Stadt und der Gemeinschaft hinaus drängen und keinen Platz für sie haben, wissen Ochs und Esel wer da zu ihnen kommt und schätzen es. Na ja, Esel sind halt hochsensible Tiere mit großen, langen Ohren. Sie sind ganz Ohr, sozusagen …

Die Eselin ist also gescheiter als ein Mensch, noch dazu als einer, der angeblich die Gabe des besonderen Durchblicks hat. Der Esel im Stall von Betlehem, gemeinsam mit dem Ochsen, der weiß, wo er dazu gehört, hingehört, für wen er arbeitet und sich abmüht, aber auch wer für ihn sorgt, dass die Futterkrippe immer voll und das Stalldach dicht ist. Diese biblischen Eselvorstellungen gefallen mir. Denn: sie sind durch und durch weihnachtlich. Und in weihnachtlicher Stimmung sind wir doch gerade.

Denn was macht Weihnachten aus? Dass plötzlich die Dinge nicht mehr so sind, wie man sich immer eingebildet hat, dass sie sein müssen. Hier Gott, weit oben in einem fernen Himmel – dort die Menschen, ganz unten und einem erbarmungslosen Schicksal ausgeliefert. Wer das geglaubt hat, quasi für ein unveränderliches Naturgesetz gehalten hat, kann sich nur noch wundern.

Denn im Stall von Betlehem ist das alles anders. Und wenn, wie schon gesagt, in den biblischen Erzählungen der Stall zunächst einmal leer ist, so können wir ihn gut mit unserer Phantasie füllen. Da sehe ich einen gemütlichen, schwerfälligen, starken und treuen Ochsen. Der Tag war hart und anstrengen, aber jetzt passt es so, wie es ist. Da sehe ich einen Esel, oder vielleicht eine Eselin. Ein quirliges, energiegeladenes, intelligentes Tier. Mit ausgeprägten Instinkten. Gefahren werden früh erkannt, aber wenn diese „Warnanlage“ einmal nicht anspringt, dann ist auch wirklich keine Gefahr da. Da können die Menschen behaupten, was sie wollen. Das bringt einen Esel oder eine Eselin nicht aus der Ruhe.

Und vielleicht haben diese Tiere im Stall auch die besondere Stimmung und Atmosphäre des Moments aufnehmen können. Vielleicht, ganz instinktiv, besser verstanden und durchschaut als die anwesenden Menschen, was da wirklich los ist: ein Augenblick, in dem, vielleicht auch nur für einen kurzen Zeitraum alles so ist, wie es sein soll: Gott bei den Menschen, die Menschen bei Gott, Friede auf Erden, Ruhe, Geborgenheit bei Gott, tiefste Wünsche ernstgenommen und erfüllt.

Und so kann man wohl sagen: sei ein Esel – dann verstehst du die Weihnachtsbotschaft.
Amen.

Zwischenspiel: Emmerich Gyenge: Präludium Nr. 1 C-Dur, BWV 846 von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Gebet: 

Guter Gott,
seit Du beschlossen hast,
Mensch zu werden
im Stall von Bethlehem
bist du uns so nahe,
wie nur ein Mensch dem anderen nahe sein kann.
Du hast die Welt auf den Kopf gestellt.
An Deinem Geburtstag
Machst du uns große Geschenke
– fernab der Gabentische:
Mut schenkst du uns, wenn wir ganz unten sind;
Hoffnung schenkst du uns, wenn wir nicht weiter wissen,
und Freiheit, wenn wir unheilvolle Bindungen lösen können.
An diesem besonderen Abend erfahren wir:
Du wirkst in unserer Welt,
du machst die Dunkelheit hell – in uns und um uns herum.
Du ebnest Wege und machst krumme Pfade gerade.
Du bewahrst uns vor Abwegen.
Dein Licht führt verkürzt die Umwege, die wir öfter im Leben einschlagen
Und verhindert, dass wir in die Irre oder im Kreis laufen.
Wir spüren stärker, als zu anderen Zeiten des Jahres,
deine Sorge um uns und alle Menschen,
in Gefahren und Krankheit,
in Not und im Wahnsinn der Kriege und Bürgerkriege
an viel zu vielen Orten in dieser Welt.

Mach unser Leben hell!
Dring ein in unser Denken und Hoffen,
unser Fühlen und Handeln
mit deinem Licht, das in der Finsternis gekommen ist
Uns heim zu leuchten.
Schenke unserer Welt Frieden,
den Regierungen Demut und Einsicht
und jedem Einzelnen den guten Willen zu Respekt,
Rücksicht und liebevoller Anteilnahme,
ohne die niemand leben
und keine Generation aufwachsen kann.
Gewähre uns Geborgenheit in deiner Gnade
und leite uns auch weiterhin
unter deinem guten Stern.
Und gemeinsam beten wir:

Unser Vater im Himmel  …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 35, 1-3: Nun singet und seid froh

1) Nun singet und seid froh, jauchzt alle und sagt so:
Unsers Herzens Wonne liegt in der Krippe bloß
und leuchtet als die Sonne in seiner Mutter Schoß.
Du bist A und O, du bist A und O.

2) Sohn Gottes in der Höh, nach dir ist mir so weh.
Tröst mir mein Gemüte, o Kindlein zart und rein,
durch alle deine Güte, o lieber Jesu mein.
Zieh mich hin zu dir, zieh mich hin zu dir.

3) Groß ist des Vaters Huld, der Sohn tilgt unsre Schuld.
Wir warn all verdorben durch Sünd und Eitelkeit;
da hat er uns erworben die ewig Himmelsfreud.
O welch große Gnad, o welch große Gnad.

Orgelnachspiel: Johannes Wolfram: Improvisation

Mit freundlicher Genehmigung des Komponisten.