Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 4. Oktober2020
mit Pfr. Johannes Wittich – Erntedank


Orgelmusik
Spruch: Psalm 145, 15:

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.

Begrüßung:

Nahrung für die Seele geht oft einher mit Nahrung für den Bauch.

Dankbar dürfen wir die guten Gaben Gottes genießen, wirklich „sehen und schmecken, wie freundlich der Herr ist.“

Anfang Oktober feiern wir traditioneller Weise Erntedank. Mitten drin im Tun und Machen halten wir einen Moment inne und schauen auf das, was wir erreicht haben. Was Gott uns erreichen hat lassen, im Großen wie im Kleinen.

Das macht dankbar – und ermutigt. Lässt uns nach vorne blicken. Ermutigen soll auch ein Gottesdienst, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

Mit all unserer Unruhe,
unseren Sorgen,
unserem Kleinmut und Kleinglauben
kommen wir zu dir, Gott.
Nicht immer gelingt es uns, dich zu loben
und dir zu singen.
Manchmal bestimmen Ängstlichkeit und Klage unser Leben
statt Dankbarkeit und Vertrauen.
All dies legen wir dir offen vor.
Sieh es an mit Barmherzigkeit,
Güte und Geduld.
Vergib uns unsere Schuld.
Gott, du gibst reichlich,
mehr als wir brauchen.
Wir sorgen und fürchten uns oft,
dass es für uns nicht reicht.
Nimm uns diese Angst!
Wir sagen dir Dank für alle Gaben,
die wir aus deiner Hand empfangen
und so reichlich genießen dürfen.
Wir sagen Dank auch für alle Liebe und Fürsorge,
die wir erfahren.
Wir bitten dich:
Befreie uns von aller Undankbarkeit und Unzufriedenheit.
Durch Jesus Christus, deinen Sohn,
der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und Leben schenkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

(Klaas Hansen)

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 334, 1.4-6: Danke für diesen guten Morgen

1.) Danke für diesen guten Morgen,
Danke für jeden neuen Tag.
Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.

4.) Danke für manche Traurigkeiten,
Danke für jedes gute Wort.
Danke, dass deine Hand mich leiten will an jedem Ort.

5.) Danke, dass ich dein Wort verstehe,
Danke, dass deinen Geist du gibst.
Danke, dass in der Fern und Nähe du die Menschen liebst.

6.) Danke, dein Heil kennt keine Schranken,
Danke, ich halt mich fest daran.
Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.

Predigt: Mk. 8, 1-9a

1 In jenen Tagen ist wieder viel Volk da und sie haben nichts zu essen. Da ruft er die Jünger herbei und sagt zu ihnen:
2 Das Volk tut mir leid, denn drei Tage sind sie schon bei mir und haben nichts zu essen.
3 Und wenn ich sie hungrig nach Hause gehen lasse, werden sie unterwegs zusammenbrechen, einige von ihnen sind ja von weit her gekommen.
4 Und seine Jünger antworteten ihm: Wie sollte einer diese Leute mit Brot satt machen können hier in der Einöde?
5 Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie sagten: Sieben.
6 Da fordert er das Volk auf, sich zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, sprach das Dankgebet, brach sie und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen, und die verteilten sie unter das Volk.
7 Sie hatten auch ein paar Fische, und er sprach den Lobpreis über sie und liess auch diese verteilen.
8 Und sie assen und wurden satt. Und sie sammelten die übrig gebliebenen Brocken, sieben Körbe voll.
9 Viertausend waren es gewesen.

Liebe Gemeinde!

Letzte Woche im Religionsunterricht, in der 1. Klasse. Die Burschen und Mädchen sind gerade einmal vier Wochen am Gymnasium. Alles ist noch neu und aufregend. Ich möchte an Vertrautes anknüpfen und mache ein Spiel, genau genommen einen Wettbewerb. In mehreren Teams treten sie gegeneinander an. Die Aufgabe lautet: wer kennt die meisten Namen oder Geschichten aus der Bibel. Eifrig wird in den Gruppen diskutiert, hektisch die Ergebnisse auf Kärtchen aufgeschrieben. Ich habe ja einen bestimmten Zeitrahmen vorgegeben. Und diesem Zeitdruck ist es wohl geschuldet, dass manch ein Ergebnis, sagen wir mal so, nicht ganz präzise ausfällt. Auf einem Zettel findet sich: „Die Geschichte, wo Jesus macht, dass ein Blinder wieder hören kann.“ Oder: „Die Geschichte von Tieren auf dem Schiff.“ Martin Luther wird von zwei Gruppen zur biblischen Persönlichkeit erklärt. Auch „Maria Himmelfahrt“ muss als richtige Antwort ausgeschieden werden. Mein absoluter Liebling aber: „Mann geht auf Berg und spricht mit Jesus.“ Sie wissen nicht, welche Geschichte gemeint ist? Ich war mir da auch ein wenig unsicher. Aber die Erklärung wurde gleich nachgereicht: „Na da, wo der Jesus den Menschen Brot und Fische gibt.“ Mit anderen Worten: „Mann geht auf Berg und spricht mit Jesus“ ist die Zusammenfassung unseres heutigen Predigttexts, der Speisung der Viertausend – in manchen Versionen die Speisung der Fünftausend.

Mich hat diese spontane Antwort der einen Schülergruppe gefallen. Denn, ohne es zu wissen, haben sie mit ihrer Kurzbeschreibung eine theologische Interpretation des Speisungswunders vorgenommen, noch dazu eine sehr gescheite: hängen geblieben sind nicht die sieben Brote und einige Fischen. Vielmehr geht es um das, was gesprochen wird. Das Wort steht im Mittelpunkt. Protestantischer geht es schon fast nicht mehr. Als hätten die Schüler ein anderes Bibelzitat im Kopf gehabt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern aus jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ (Mt. 4,4,). Ein Satz aus dem 5. Buch Mose, den dann später Jesus Satan um die Ohren hauen wird, als dieser ihn in der Wüste versuchen will.

Für das Speisungswunder Jesu gibt es eine Reihe von klassischen Auslegungsmuster, wenn man so will, fertigen Predigtelementen. Die sind auch wirklich gut, bewährt durch die Jahrhunderte christlichen Nachdenkens über das, was Gott uns sagen will. Ein gerne hervorgehobener Aspekt der Geschichte ist: Jesus fordert seine Jünger heraus: tut es etwas für die hungernden Menschen. Die Jünger darauf: was sollen wir tun, es ist unmöglich! Die Antwort Jesu: schaut einmal genau hin, was ihr zum Verteilen habt. Worauf das eigentliche Wunder geschieht: das, was bereits da ist, reicht. Das, was wir haben, kann und soll geteilt werden. Denn wir haben viel mehr, als wir glauben. So viel, dass es auch für andere genug ist. Dieser Gedanke sollten sich vielleicht auch einmal bestimmte Politiker zu Herzen nehmen, wenn sie meinen: wir können nicht allen helfen. Ja, vielleicht nicht allen. Aber sicher mehr als wir glauben.

Die andere „klassische“ Auslegung der Geschichte ist: die Menge des Essens, des zu Verteilenden, war und ist nicht das Wichtigste. Vielleicht waren es gar nicht so viele Brote und Fische, oder nicht so viele Menschen, wie man sich dann später aus der Erinnerung heraus erzählt hat. Entscheidend war: das miteinander Teilen hat Gemeinschaft entstehen lassen. Allen das Gefühl gegeben: ich gehöre dazu, man kümmert sich um mich, für mich wir gesorgt, ich bekomme, was ich brauche. Jesus zeigt den Menschen, zeigt uns, wie’s geht. Die Geschichte wird dann zum Vorgriff auf’s Abendmahl: ein kleines Stück Brot, ein Schluck Wein – und doch die Fülle an Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen.

Daher ist diese Geschichte auch ein beliebter Text für das Erntedankfest. In Gottesdiensten, die dann fast zwangsläufig in die Feier des Abendmahls hineinführen. Allein: wir können im Moment kein Abendmahl feiern. Gerade das Greifbare, Physische, Materielle in der Feier des Abendmahls, das Angreifen des Brots, das Trinken aus dem gemeinsamen Kelch, ist in der Zeit der Pandemie zum Problem geworden. Wir müssen uns daher wieder dem Wort zuwenden.

Deshalb finde ich die Zusammenfassung der Geschichte durch meine Schüler so genial, wie sie das eigentlich Wichtige an dem Wunder auf den Punkt bringen. Unbewusst liefern sie uns eine Corona-taugliche Auslegung: Mann geht auf Berg und spricht mit Jesus. Darum geht es: um unsere Fragen. Und die Antworten Jesu. Nachdenken, Dialog, Interaktion. Suchen und finden. Genährt, gestärkt, aufgebaut und ermutigt werden.

Und das kann es, das Wort Gottes.

Amen.

Gebet: 

In unserem Überfluss kommen wir zu dir, Gott,
und sagen Dank für die reichlichen Gaben, die du schenkst.

Wir befehlen dir die Menschen an, denen es nicht so gut geht wie uns.
Wir denken an alle, die sich Sorgen machen,
die Hunger leiden und nicht wissen,
ob sie am nächsten Tag genug zu essen haben.
Nimm dich ihrer an und wecke in uns die Bereitschaft zum Teilen
.

Wir denken an alle, die im Krieg leben müssen,
die auf der Flucht sind und ihre Heimat verloren haben.
Nimm dich ihrer an und wecke in uns die Bereitschaft, ihnen beizustehen.

Wir denken an alle, die hungrig und durstig sind
nach Liebe, nach Anerkennung.
Nimm dich ihrer an, Gott, und zeige uns, wie wir sie wertschätzen können
.

Wir denken an alle alten Menschen,
die ihren Lebensabend in Heimen verbringen,
und an die Männer und Frauen, die sie pflegen.
Nimm dich ihrer an und zeige uns, dass es gut ist,
für andere da zu sein, auch wenn Dank nicht zu erwarten ist
.

Wir denken an alle Kranken und die, die im Sterben liegen.
Nimm dich ihrer an, gib ihnen etwas von deiner großen Kraft,
die ruhig und gewiss macht.
Zeige uns, wie wir ihnen beistehen können
.

Amen.

(Klaas Hansen)

Unser Vater im Himmel …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen
.

Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Praeludium in F-Dur von Johann Sebastian Bach