Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 21. Mai 2020
mit Pfr. Johannes Wittich.
Christi Himmelfahrt


Präludium: Martin Seidl: “Präludium” – P. Theodor Grünberger (1756-1820)
Johannes 12,32: 

Und ich, wenn ich von der Erde weggenommen und erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.

Begrüßung:

Was zieht uns hinunter? Was richtet uns auf? Was lässt uns die
Schwerkraft überwinden, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch? Was bringt uns zum Schweben? Was hebt uns in den Himmel?

Herzlich willkommen zum Gottesdienst am Fest „Christi Himmelfahrt“! Es erinnert an den Moment eines Abschieds: der Auferstandene verlässt seine Jüngerinnen und Jünger. Es ist ein besonderer Moment für ihren Glauben. Sie stehen fest, mit beiden Füßen, auf der Erde, in dieser Welt. Und richten gleichzeitig den Blick hinauf in den Himmel. Den Himmel, mit dem sie jetzt auf immer verbunden sind.

So ist auch unsere Einstellung, wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

Gott, du hast uns den Himmel geschenkt.
Zeichen deiner Weite.
Wie eng dagegen machen wir die Welt.
Wenn wir aus- und abgrenzen, bewerten und verurteilen.
Wenn wir andere klein machen
und selbst groß sein wollen.
Gott, wir bekennen vor dir,
was ganz und gar nicht himmlisch ist.
Wir bekennen dir unsere Schuld.
Gott, wolkenleicht wollen wir sein
und sind doch tränenschwer.
Wenn der Himmel weicht und unser Blick zur Erde fällt,
wenn die Nächte dunkel und die Tage grau sind,
dann rufen wir zu dir und suchen dein Erbarmen:
Gott, du hast den Himmel ausgespannt wie ein Zelt.
Als Herberge in der Nacht,
Schirm und Schutz am Tag.
Bei dir finden wir Zuflucht und Trost.
Mit der Leichtigkeit des Himmels
können wir Gottesdienst feiern.
Amen.

(Ann-Kathrin Fiß)

Lied: Evangelisches Gesangbuch 123, 1.2.6: Jesus Christus herrscht als König

1) Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig,
alles legt ihm Gott zu Fuß.
Aller Zunge soll bekennen,
Jesus sei der Herr zu nennen,
dem man Ehre geben muß.

2) Fürstentümer und Gewalten,
Mächte, die die Thronwacht halten,
geben ihm die Herrlichkeit;
alle Herrschaft dort im Himmel,
hier im irdischen Getümmel
ist zu seinem Dienst bereit.

6) Jesus Christus ist der Eine,
der gegründet die Gemeine,
die ihn ehrt als teures Haupt.
Er hat sie mit Blut erkaufet,
mit dem Geiste sie getaufet,
und sie lebet, weil sie glaubt.

Markus 16, 14-20:

14 Zuletzt zeigte er sich den elfen, als sie bei Tisch sassen, und tadelte ihren Unglauben und ihre Hartherzigkeit, weil sie denen, die ihn als Auferweckten gesehen hatten, nicht geglaubt hatten.
15 Und er sagte zu ihnen: Geht hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium aller Kreatur.
16 Wer zum Glauben kommt und getauft wird, wird gerettet werden, wer aber nicht zum Glauben kommt, wird verurteilt werden.
17 Denen aber, die zum Glauben kommen, werden diese Zeichen folgen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, in neuen Sprachen werden sie reden,
18 Schlangen werden sie mit blossen Händen aufheben, und tödliches Gift, das sie trinken, wird ihnen nicht schaden, Kranke, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.
19 Nachdem nun der Herr, Jesus, zu ihnen geredet hatte, wurde er in den Himmel emporgehoben und setzte sich zur Rechten Gottes.
20 Sie aber zogen aus und verkündigten überall. Und der Herr wirkte mit und bekräftigte das Wort durch die Zeichen, die dabei geschahen.

Treffen sich ein frommer Pfarrer und ein kritischer Naturwissenschaftler. Fragt der Naturwissenschaftler: „Herr Pfarrer, sie glauben also, dass Jesus in den Himmel hinaufgeflogen ist?“ – „Ja, natürlich!“ – „Mit welcher Geschwindigkeit, denken sie, ist er dabei unterwegs gewesen?“ – „Naja, sagen wir mal so 50 Kilometer pro Stunde.“ – „Und wo ist, Ihrer Meinung nach, dieser Himmel?“ – „Ganz einfach: jenseits des uns bekannten Universums!“ Darauf der Naturwissenschaftler trocken: „Dann fliegt er immer noch.“

Ich glaube, der Denkfehler des frommen Theologen liegt nicht in der Annahme der Reisegeschwindigkeit Jesu. Er liegt in der vorschnellen Antwort über den „Himmel“ in den Jesus gegangen ist. In einer all zu realistischen Vorstellung davon, wie Jesus plötzlich abhebt und gleichsam schwerelos hinauf gleitet. Diese Vorstellung ist durchaus biblisch: Lukas schildert die Himmelfahrt Jesu genau so: Jesus steigt raumschiffgleich in den Himmel, seine Jünger schauen ihm nach, bis ihnen eine Wolke die Sicht verstellt und sie realisieren: er ist jetzt wirklich nicht mehr da.

Ganz anders der Evangelist Markus, dessen Bericht wir gerade gehört haben. Der meint nur kurz und bündig: Nachdem nun der Herr, Jesus, zu ihnen geredet hatte, wurde er in den Himmel emporgehoben und setzte sich zur Rechten Gottes. Details darüber, wie das vor sich gegangen ist, werden uns keine mitgeteilt. Warum auch? Wichtiger ist, was unmittelbar vorher und nachher gesagt und geschehen ist. Und zwar mit den Jüngerinnen und Jüngern. Das hat es ziemlich in sich.

Vor seiner „Himmelfahrt“ sagt nämlich Jesus noch einmal, was seine Jüngerinnen und Jünger ausmacht. Sie haben einen Auftrag: die gute Nachricht, seine gute Nachricht in die Welt hinaus zu tragen, Menschen dazu einzuladen, zu motivieren, ihr Vertrauen ganz auf Gott zu setzen. Wem das gelingt, dem wird man das auch ansehen. Diese Menschen werden Dämonen austreiben, in neuen Sprachen sprechen, Schlangen mit bloßen Händen aufheben, tödliches Gift, das sie trinken, wird ihnen nichts anhaben und, nicht zuletzt, sie werden kranke Menschen durch das Auflegen ihrer Hände heilen. Alles im Namen Jesu.

Das ist schon stark. Denn wir sind ja auch Glaubende. Wie schaut es bei uns aus, mit diesen außergewöhnlichen Fähigkeiten?

Ich möchte versuchen, diese ein wenig in unsere Zeit zu übertragen. Denn ich behaupte einmal: wir haben diese Fähigkeiten tatsächlich. Zugeschnitten auf die Zeit und die Welt in der wir leben, nicht als übersinnliche Kräfte, sondern erklärbar und argumentierbar auch in unserem heutigen wissenschaftlichen Weltbild. (Wir brauchen darüber gar nicht so patschert diskutieren wie der Pfarrer in der Anekdote zu Beginn der Predigt.)

Worin bestehen also diese Fähigkeiten eines Glaubenden, einer Glaubenden? Wir können Dämonen austreiben. Menschen, die Angst haben, die gehetzt und getrieben sind, von unserem Glauben erzählen, sie einladen, auch darauf zu vertrauen, dass Gott sie hält und trägt und ihnen Sicherheit schenken will. Wir können Schlangen mit bloßen Händen aufheben, die heißen Eisen unserer Zeit ansprechen und Stellung dazu beziehen, in Verantwortung füreinander und Mitmenschlichkeit. Wir sind immun gegen das tödliche Gift, das menschliches Denken durcheinander bringt, Verschwörungstheorien Glauben schenkt, Menschen verhetzt oder zum Abwerten Anderer motiviert. Und: wir haben heilende Kräfte, wenn wir Menschen ernst nehmen, ihnen zuhören, wenn sie von Sorgen und Ängsten erzählen. Wir müssen sie dabei gar nicht körperlich berühren, wie es bei den frühen Christen mit dem „Hände Auflegen“ üblich war. Wir könne sie aber körperlich berühren, wenn sie wollen, in dem wir ihnen die Hände auflegen und sie segnen.

Jesus konnte die Erde verlassen, weil er wusste: meine Anhängerinnen und Anhänger kriegen das schon hin. In der trockenen Beschreibung des Markusevangeliums wird auch nur gesagt, dass Jesus einen Positionswechsel vorgenommen hat. Erst ist er noch mitten unter seinen Jüngerinnen und Jüngern. Und dann sagt Gott: „mission accomplished“ – Mission erfüllt. Ich hebe dich jetzt hinauf an meine Seite. Wenn man so will, sitzt Jesus jetzt im göttlichen „Kontrollraum“. Wir tun, was wir tun können, hier auf unserem Planeten. Und wenn es nötig ist, dann funken wir mal kurz hinauf und bitten um Anweisungen oder Unterstützung. Bis es dann, irgendwann einmal, am Ende unseres Lebens heißen wird: „Beam me up Jesus – beame mich hinauf, Jesus!“

Mit seiner Himmelfahrt nimmt Jesus also einen neue Position ein. Eine, in der er uns viel mehr helfen kann. Seine Jüngerinnen und Jünger haben das verstanden. Sie ziehen los, machen das, was ihnen aufgetragen ist, und merken: es funktioniert!

Und das ist doch das, was auch wir immer wieder erleben.

Amen.

Gebet:

Ewiger Gott, wir danken dir
für himmlische Treue und Gnade;
dafür, dass wir Tag und Nacht in den Himmel schauen können,
um deine Nähe zu suchen.

Wir bitten dich für diejenigen,
deren Leben eng geworden ist,
die keine Weite mehr spüren können.
Wir bitten dich für die,
die keine Hoffnung mehr haben,
die nicht über das hinausschauen können,
was sie umgibt.
Wir bitten dich für die an Leib und Seele erkrankten,
deren Leben durch Schmerzen dunkel geworden ist.
Wir bitten dich für die Sterbenden,
dass sie Vertrauen finden,
in deinem Himmel geborgen zu sein.
Wir bitten dich für die ganze Schöpfung,
damit deine gute Ordnung erhalten bleibt
und wir noch lange zwischen Himmel und Erde leben können.
Ewiger Gott, der Himmel ist dein Versprechen,
bei uns zu sein.
Heute und alle Tage, bis an der Welten Ende.

(Ann-Kathrin Fiß)

Und gemeinsam beten wir:

Unser Vater im Himmel …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Postludium: Martin Seidl: “Marche” Guillaume Lasceux (1740-1831)