Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten,
16. August 2020
mit Pfr.i.R. Johann Ulreich


Orgelvorspiel: Juliane Schleehahn
Freie Begrüßung:

„Im Namen des Vaters und des Sohnes …
„Bei dir, Gott, ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht.“ Ps. 36,10

Eingangsgebet:

Herr Jesus Christus,
du hast deine Gemeinde berufen, Salz der Erde und
Licht der Welt zu sein.
Du traust uns zu, in deinem Namen dieser Welt die Würze zu geben und in die Dunkelheit dein Licht zu tragen.
Wir bitten dich, dass wir uns an diese deine Berufung halten.
Führe uns aus aller Trägheit und mach uns bereit,
deinen Namen zu bezeugen.
Der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Lesung:

Wir hören als Lesung aus dem Epheserbrief, Kapitel 5:
„Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist und habt nicht Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis; …. Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 441 / 1 – 3 Du höchstes Licht, du ewger Schein

1) Du höchstes Licht, du ewger Schein,
du Gott und treuer Herre mein,
von dir der Gnaden Glanz ausgeht
und leuchtet schön so früh wie spät.

2) Das ist der Herre Jesus Christ,
der ja die göttlich Wahrheit ist,
mit seiner Lehr hell scheint und leucht’,
bis er die Herzen zu sich zeucht.

3) Er ist das Licht der ganzen Welt,
das jedem klar vor Augen stellt den hellen,
schönen, lichten Tag,
an dem er selig werden mag
.

Predigt: 

Bildmeditation: Jan Vermeer van Delft,
„Das Mädchen mit dem Perlenohrring“

Quelle: Johann Ulreich

„Bei dir, Gott, ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht.“ (Psalm 36,10)

Liebe Gemeinde!

Das Bild zeigt „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, gemalt von dem wohl bedeutendsten niederländischen Barockmaler im 17. Jahrhundert, Jan (Johannes) Vermeer in Delft.
Bei Lichte sehen wir sie:
Anrührend schaut sie aus, unschuldig und gleichzeitig verheißungsvoll.
Weiche, runde Wangen mit einem Hauch rose´.
Sie ist keine Dame, die nur im Salon sitzt und Stickereien anfertigt; sie ist viel draußen in der Luft.
Die roten Lippen sind leicht geöffnet, die braunen Kulleraugen glänzen wie Perlen.
Von ihrem Haar ist fast nichts zu sehen, nur eine schmale Strähne hat sich auf die Stirn geschoben.
Der Rest ist unter einem leuchtend blauen Turban und einem goldgelben Tuch versteckt.

Der Hintergrund ist dunkel – fast schwarz.
Irgendwo außerhalb des Bildes scheint es eine Lichtquelle zu geben, die ihr warmes Licht auf das Mädchen wirft, es sichtbar macht und auf eine zauberhafte Art und Weise zum Leuchten bringt.
Das schlichte braune Kleid erscheint in diesem Licht wie kostbarer Bernstein, der weiße Kragen wie ein breites, wertvolles Halsband.
Das Außergewöhnliche des Bildes liegt jedoch in dem Glitzern der Augen des Mädchens, welches sich im Perlenohrring fortsetzt.
Dieses Glitzern im Licht zeigt an:
Wir haben etwas unendlich Wertvolles vor uns.

Stellen wir uns einen Moment einmal vor, das Licht würde ausgeschaltet werden. Was bliebe dann sichtbar?
Ein Mädchen, eine holländische „Meisje“ von vor über 300 Jahren.
Das dunkle Kleid verschmilzt mit dem Hintergrund; aus dem farbenprächtigen Kopfputz wird eine sich auflösende Kopfbedeckung und das Gesicht ist nur noch schemenhaft erkennbar.
Ein Mädchen, das schwer arbeiten muss für den Lebensunterhalt, ein Mädchen wie viele andere auch.

Johannes Vermeer hat sie in einem anderen Licht gesehen, hat sie in ein anderes Licht gerückt.
Er hat sie im Licht Gottes betrachtet, möchte man meinen.
Hat sie in langwieriger geduldiger Arbeit in diesem Licht festgehalten.
Der Künstler malte in seinem kurzen Leben nur etwa 30 Bilder. Das wenige, das man von ihm weiß, spricht dafür, dass er oft viele Wochen oder gar Monate an einem Bild gearbeitet hat, um es wirklich in jedem Detail perfekt zu gestalten.
Das Licht hat ihn besonders interessiert:
Wie das Licht Gegenstände und besonders Menschen verändert.
Innen und außen.

„Und in deinem Licht sehen wir das Licht.“
Vermeer hat das Mädchen mit der Perle in ein warmes Licht getaucht.
In diesem einzigartigen Licht ist sie nicht mehr eine von vielen.
Jetzt ist sie die Besondere, die Schöne, die Einzigartige.

Im Lichte Gottes, von Vermeer festgehalten, sehen wir sie so, wie Gott sie gemeint hat.
Unverwechselbar, von Gott geschaffen, von ihm geliebt.
Jeder von uns ist das – auch wenn es kein Porträt von uns gibt …

Nicht immer stehen wir auf der Sonnenseite, nicht immer haben wir Glück und Erfolg, oder Grund zur Freude und zum Dank, dennoch ergeht – wir haben es in der Lesung gehört – an uns die Empfehlung:
Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Jesus Christus, der selbst das Licht ist, hat uns zu seinen Kindern erklärt.
Und sein Licht leuchtet auch uns, leuchtet in unser Leben hinein, in guten wie in schweren Tagen, gestern und auch morgen, in dieser Stunde und in der kommenden Woche.
Amen

Fürbittengebet:

Gott, du bist das Licht,
das uns allen neues Leben eröffnet.
Mach uns zu Kindern des Lichtes,
dass wir einander nicht als Feinde,
sondern als Partner begegnen;
dass wir einander nicht ängstigen,
sondern vertrauen;
Dass wir einander Leben nicht verwehren,
sondern Leben erschließen.
Erleuchte uns mit deiner Wahrheit,
dass wir es wagen, loszulassen,
womit wir einander beschweren,
und miteinander suchen,
was unser Leben trägt und erfüllt.
Mach unsere Phantasie fruchtbar,
Grenzen, die uns trennen, zu überwinden;
Waffen, mit denen wir drohen,
zu begraben;
Gesetze, die aus Angst entstanden,
zu verwandeln
in einer Gemeinschaft, die der Liebe Gottes vertraut. Amen
Und was uns persönlich bewegt, bringen wir in der Stille vor dich
Amen.

Unser Vater …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen
.

Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Johann S. Bach: Präludium in e-Moll