Foto: Erlöserkirche

 

 

Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 7. Februar 2021
mit Gerti Rohrmoser


Spruch: Hebr. 11,1:

Der Glaube aber ist die Grundlegung dessen, was man erhofft, der Beweis für Dinge, die man nicht sieht.

Glaube ist zukunftsorientiert. Er beschäftigt sich abseits von Wahrscheinlichkeit und empirischen Beweisen mit einer guten Zukunft, die uns versprochen und zugesagt ist. Das setzt großes Vertrauen voraus und viel Geduld. Geduld, wie wir sie auch haben müssen, wenn wir Samenkörner in die Erde legen und schon den blühenden Garten oder das wogende Getreidefeld vor uns sehen, aber noch viele Monate warten müssen, bis die Blumen wirklich blühen, das Getreide geerntet werden kann.
Worauf wir uns allerdings schon jetzt verlassen dürfen ist, dass Gott mit uns geht, alle Tage unseres Lebens und auch durch diese Stunde. Darum beginnen wir diesen Gottesdienst auch im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und der heiligen Geistkraft, die uns führen und stärken möge. Amen.

Gebet:

Guter Gott,
selbst wenn du schweigst
wollen wir deiner Stille lauschen,
damit sie Frucht bringen möge
in uns.
Und deinem Wort
Schenken wir unsere
ganze Aufmerksamkeit,
damit es nicht leer zurückkehrt
zu dir
sondern in uns keim und aufwächst,
uns zu neuem Leben erweckt.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 199, 1-5:

1) Gott hat das erste Wort.
Es schuf aus Nichts die Welten
und wird allmächtig gelten
und gehn von Ort zu Ort
.

2) Gott hat das erste Wort.
Eh wir zum Leben kamen,
rief er uns schon mit Namen
und ruft uns fort und fort
.

3) Gott hat das letzte Wort,
das Wort in dem Gerichte,
am Ziel der Weltschichte,
dann an der Zeiten Bord
.

4) Gott hat das letzte Wort.
Er wird es neu uns sagen
dereinst nach diesen Tagen
im ewgen Lichte dort
.

5) Gott steht am Anbeginn,
und er wird alles enden.
In seinen starken Händen
liegt Ursprung, Ziel und Sinn
.

Predigttext: Lk 8, 4-15:

Als nun viel Volk zusammenkam und Leute aus allen Städten ihm zuströmten, sprach er in einem Gleichnis. Der Sämann ging aus, seinen Samen zu säen. Und beim Säen fiel etliches auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel des Himmels fraßen es auf. Anderes fiel auf Fels, ging auf und verdorrte, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Anderes fiel mitten unter die Dornen, und mit ihm wuchsen die Dornen und erstickten es.
Wieder anderes fiel auf guten Boden, ging auf und brachte hundertfach Frucht. Als er dies gesagt hatte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Seine Jünger aber fragten ihn, was dieses Gleichnis bedeute. Er sprach: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, zu den anderen aber wird in Gleichnissen geredet, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht verstehen.
Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die auf dem Weg sind die, welche es hören. Dann kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihren Herzen, damit sie nicht zum Glauben kommen und gerettet werden.
Die auf dem Fels sind die, welche das Wort hören und freudig aufnehmen. Doch sie haben keine Wurzeln: Eine Zeit lang glauben sie, in der Zeit der Versuchung aber fallen sie ab. Das unter die Dornen Gefallene, das sind die, welche es gehört haben und dann hingehen und von Sorgen und Reichtum und Freuden des Lebens erstickt werden und die Frucht nicht zur Reife bringen.
Das auf dem guten Boden, das sind die, welche das Wort mit rechtem und gutem Herzen gehört haben, es bewahren und Frucht bringen in Geduld.

Liebe Schwestern und Brüder,

»Der dümmste Bauer erntet die dicksten Kartoffeln«, dieses etwas uncharmanten Sprichwort könnte die Überschrift zu diesem Gleichnis Jesu sein.

Auch wenn die Aussaat von Hand zu Jesu Zeiten natürlich nicht so präzise sein konnte wie unsere moderne Technik, so war man bestimmt doch bemüht, möglichst genau zu säen.
In unserem Gleichnis ist es anders. Ein Teil der Saat fällt auf den Weg, wo der Boden so verdichtet ist, dass die Samenkörner dort liegen bleiben und zu Vogelfutter werden. Ein anderer Teil der Saat fällt auf steinigen Boden und bekommt dort zu wenig Feuchtigkeit. Ein weiterer Teil geht unter den Un- oder Beikräutern unter. Und erst der letzte Teil der Saat gelangt auf den eigentlichen Acker, wo sie aufgehen und wachsen kann. Der, der sät, tut es offensichtlich mit großem Ungeschick. Er handelt nicht so, wie es Landwirte tun, nämlich den Ressourcen schonend und effizient.
Jesu Erzählung vom Sämann ist eigentlich eine wirklich schräge Geschichte, unglaublich in doppelter Weise: Schaut man auf der einen Seite auf den möglichen Ertrag, so heißt es, auf dem guten Acker wäre dieser hundertfach. Das ist unglaublich viel. Selbst unser hochgezüchteter Weizen kommt im nur Schnitt auf etwa 35 -45 Körner pro Pflanze.
Auf der anderen Seite des Gleichnisses steht einer, der seine Arbeit nicht beherrscht oder schlampig ausführt. Derjenige, der sät, handelt nicht wie ein guter Landwirt. Schwungvoll vergeudet er viel von dem kostbaren Saatgut.. Trotzdem hat er am Ende eine gute, ja überreiche Ernte.
Jesu Schilderung scheint zwar mitten aus dem Leben gegriffen zu sein, aber eigentlich ist es ganz schön ver-rückt: Ein sehr „patscherter“ oder unachtsamer Bauer und seine überaus reichliche Ernte. Darüber kann der Volksmund nur spotten. – Und wir brauchen uns nicht zu wundern, denn Jesus verwendet oft solche Geschichten, wo die Dinge scheinbar nicht zusammenpassen.
.
Ich finde dieses Gleichnis hinter dem malerischen und so vertrauten Bild ganz schön schwer verständlich. – Und so war es offenbar auch für seine Jünger. Sie sind mit der Landwirtschaft einigermaßen vertraute Menschen und fragen Jesus doch ganz verwirrt, was es denn mit diesem Gleichnis auf sich habe. Ich nehme an, ihre Verwirrung ist noch gewachsen, als Jesus ihnen erklärt, dass das Gleichnis gar nicht zum Verstehen gedacht ist. Die Menschen sollen hören und nicht verstehen, sie sollen sehen und nicht sehen, sagt Jesus.
Eine sehr rätselhafte Aussage ist das, und wir können nur spekulieren was er damit gemeint haben könnte …Vielleicht sagt er das zu den Jüngern, um ihnen Entmutigung und Frust zu ersparen. Denn sie werden später oft genug die Erfahrung machen, dass die Worte Jesu auf taube Ohren und verschlossene Herzen treffen… Vielleicht will Jesus sie vorwarnen: Nur weil seine Botschaft sie so begeistert hat, wird es nicht allen anderen genauso gehen. Will er ihnen also Enttäuschungen ersparen mit seiner merkwürdigen Aussage?
Aber Enttäuschung gehört zu Jesu Botschaft dazu. Sie ist gewissermaßen deren innerster Kern: Es wird alles ganz anders kommen, als sie es sich vorgestellt haben: Jesu Jüngerinnen und Freunde malen sich eine glanzvolle Zukunft mit ihm aus, aber sie werden seinen Tod erleben. Sie werden denken, dass nun alles vorbei ist. Und sie werden etwas anderes finden, als sie erwartet haben: Am Ende werden sie den Gekreuzigten, tot Geglaubten als gegenwärtig und lebendig erfahren.

Aber Jesus predigt nicht nur zum Nichtverstehen. Sein Gleichnis über den Sämann ist nämlich das einzige im Neuen Testament, zu dem es auch eine Auslegung von Jesus selbst gibt. Sie erschien den Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas so wichtig, dass sie sie aufschrieben und damit auch für uns festgehalten haben. – Vielleicht weil sie am eigenen Leib erfahren haben, dass die Predigt , das Aussäen der Botschaft Jesu oft mühsam ist.
Der Same, der gesät wird, das Wort Gottes, erklärt Jesus, wird von den Hörenden ganz unterschiedlich aufgenommen. Manchen geht es gleich wieder verloren. Sie haben nichts davon. Anderen fehlt die Ausdauer zu warten, was daraus wird. Bei wieder Anderen gibt es noch so viel Alltag, Ablenkung, dass das Wort Gottes keinen Raum findet. Und endlich gibt es noch die, bei denen die Botschaft mit Geduld aufgeht.

Ich frage mich: Wer sind eigentlich wir in diesem Gleichnis? Zu welcher Gruppe von Hörenden gehören wir?
„Das ist doch klar!“, möchte man da gern schnell antworten, leicht und gern tappen wir in die Falle, uns selbst der letzten Gruppe zuzuordnen: „Bei mir ist das Wort Gottes ja ganz offensichtlich auf einen guten Boden gefallen, sonst wäre ich jetzt ja wohl nicht hier!“…
Wenn wir aber ehrlich sind mit uns selbst, dann kann es leicht geschehen, dass sich ein anderes Bild zeigt; wahrscheinlich haben wir nur selten gemerkt, wenn uns das Wort Gottes verloren ging, wir einfach drüber hing gegangen sind. Ziemlich sicher hatten wir oft wenig Ausdauer und Geduld. Und wie oft waren unsere alltäglichen Sorgen gerade wichtiger?
Der zweite Blick zeigt, dass wir oft mehr steiniger Boden oder Dornengestrüpp als guter Boden sind. Das Wort Gottes hat es nicht leicht auf dem Acker unserer Herzen.
Es ist unbestreitbare Tatsache und zugleich verwirrendes Geheimnis, dass Gott im Verborgenen Wunder wirkt. Es ist das Wunder, dass aus dem Tod neues Leben wächst. Für dieses Geheimnis braucht man Geduld. Denn das Andere, das Unerwartete, ist erst am Ende zu sehen. Das Geheimnis lüftet sich erst nach der Enttäuschung. Aber ohne die Enttäuschung geht es eben nicht. Der Same wird gesät und es bedarf Zeit und Geduld, Sonne, Regen und Wind bis die Halme Frucht tragen. Das neue Leben wächst erst, nachdem der Same begraben ist. Erst drei Tage nach seinem Tod zeigt sich der Auferstandene seinen Jüngerinnen und Jüngern.

Ist Jesu Gleichnis also traurig und ernüchternd, vielleicht sogar eine Enttäuschung? So viel Wort Gottes fällt daneben und geht nicht auf! Die Ernte könnte doch noch viel größer sein, wenn nur der Sämann sorgfältiger und der Boden besser wäre. Dies ist ein erster Eindruck, den das Gleichnis hinterlassen kann. Warum so viel vergebliche Mühe? Aber so ist es eben nicht. Der Boden ist, wie er ist. Der Landwirt sucht sich seinen Acker nicht aus. Vielleicht wird der schon seit Generationen weitervererbt. Oder die Gegend bietet keinen besseren Boden. Er arbeitet mit dem, was er hat. Und ebenso wenig hat er Einfluss auf Regen, Sonne und Wind, die nötig sind, damit die Saat aufgeht. So wie der Landwirt der Natur sind wir dem Leben ausgeliefert. Und Gottes Wort wiederum ist uns ausgeliefert.
Erst beim genaueren Hinsehen wird deutlich, dass das Gleichnis bei all seiner Nüchternheit auch sehr ermutigend ist. Denn Gottes Wort hat trotz all der unwägbaren und vielfach schlechten Vorrausetzungen oft viel und reiche Frucht getragen! Die Worte Jesu wurden weitererzählt. Seine Botschaft von Gottes Liebe und Zuwendung hat trotz allem viele offene Ohren und Herzen gefunden. Sie wurde aufgeschrieben und wird bis heute gelesen, obwohl oder vielleicht gerade weil die Landwirte des Wortes Gottes oft ziemlich schlecht waren und sind. Sie arbeiteten ohne Sorgfalt oder Achtsamkeit und streuten das kostbare Saatgut auf Wege, Steine und zwischen Unkraut. Und doch ist viel davon aufgegangen.
Das Gleichnis und seine biblische Auslegung verraten nicht, wer da eigentlich aussät. Vielleicht ist es ja Gott selbst, der sein Wort so reichlich und überschwänglich verteilt. Oder es sind die Predigerinnen und Prediger seines Wortes, also wir alle, die hier aus dem Vollen schöpfen können, obwohl sie zu wenig auf die Bodenbeschaffenheit achten. Aber folgen wir Jesu eigener Auslegung seines Gleichnisses, dürfen wir ruhig den Samen des Reiches Gottes in Worten und Taten sehr großzügig und schwungvoll aussäen. Mag sein, dass wir recht schlechte Sämänner und -frauen des Wortes Gottes sind. Aber im Reich Gottes gilt nicht der Zusammenhang von Leistung und Ertrag, das haben wir jetzt gelernt. Und wir dürfen ruhig drauf vertrauen, dass der Volksmund recht behält: »Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln.«
Amen.

Gebet:

Guter Gott,
du hast dein Wort ausgesät
unter uns Menschen
und säst es noch:
„Kehrt um und ihr werdet leben.“
Wir bitten für die,
die sich begeistern lassen
von dem, was Jesus sagt,
dass sein Wort auch
Wurzeln schlägt in ihren Herzen.

Du hast dein Wort ausgesät
unter uns Menschen
und säst es noch:
„Kommt her zu mir alle,
ich will euch erquicken.“
Wir bitten für die,
die immer so viel zu tun haben.
Einen vollen Tag.
Eine volle Woche.
Dass das Wort bei ihnen nicht
unter die Dornen fällt,
in Sorge und Unrast erstickt,
sondern Raum und Luft findet
um emporzuwachsen.

Du hast dein Wort ausgesät
unter uns Menschen
und säst es noch:
„Allein aus Liebe
Nehme ich euch an.
Was ihr leistet,
ist mir nicht wichtig“
Wir bitten dich
für die Selbstbewussten,
die ihren Stolz und ihre Sicherheit
aus dem speisen, was sie planen
und in die Tat umsetzen.
Dass dein Wort bei ihnen
nicht auf harten Weg fällt,
zertreten wird, wenn ihre Füße
darüber marschieren,
sondern Frucht bringt.

(nach Ulrich Haag)

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Gott segne euch
mit einem geöffneten Herzen
und sei geistesgegenwärtig
in euren Worten.
Gottes Erbarmen richte euch auf
und schaffe der ganzen Schöpfung
Lebensatem.
Gottes Liebe halte euch fest
bei Tag und bei Nacht.
Darum geht.
Ihr seid gesegnet,
seid nun selbst ein Segen!
AMEN

Klaviernachspiel: Martin Seidl: Georg Friedrich Händel (1685-1759): Fantasia in C