Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 30. Mai 2021
mit Pfr. Johannes Wittich


Präludium: Martin A. Seidl: Komm, heiliger Geist, Herre Gott, BuxWV 199 von Dieterich Buxtehude (1637 – 1707)
Spruch: Johannes 6,63:

Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch vermag nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben.

Begrüßung:

Herzlich willkommen. Viel ist es, was wir in diesen Gottesdienst mitbringen, und viel Verschiedenes: Trauriges wie froh Machendes. Alle das ist nun da, hier in diesem Raum und Moment, sichtbar und ausgesprochen, unsichtbar und vielleicht auch bewusst nicht genannt. Wir atmen durch, beten, singen hören, denken nach. Für das Gute sind wir Gott dankbar, für das Schwere hoffen auf einen neuen Schub an Lebendigkeit. Auf den Geist Gottes. Der ist mitten unter uns, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und der Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

Großer Gott, wenn ich nicht um deine Liebe wüsste,
würde ich mich nicht trauen,
dir meine schweren Gedanken anzuvertrauen.
Wenn ich nicht um deine Barmherzigkeit wüsste,
würde ich es nicht schaffen, dich um Verzeihung zu bitten.
Wenn ich nicht wüsste,
dass dein lebensschaffender Geist mein Leben neu ausrichten kann,
würde ich mich gar nicht an dich wenden.
Da ich aber um deine Liebe und Barmherzigkeit
und um deinen guten Heiligen Geist weiß,
vertraue ich mich dir mit allem, was in mir ist, an.
Durchwehe unsere Gemüter mit deiner Frische.
Wecke uns immer wieder mit deiner Botschaft auf
und leite uns durch deinen Geist.
Sei in den Tönen, die wir singen.
Sei zwischen den Zeilen, die wir lesen und hören.
Sei in unseren Herzen.
Dein heilender Geist sei bei uns.
Amen
.

Lied: Martin A. SeidlEvangelisches Gesangbuch 604, 1.3: Mein ganzes Herz erhebet dich

1) Mein ganzes Herz erhebet dich; vor dir will ich mein Loblied singen
und will in deinem Heiligtum, Herr, dir zum Ruhm mein Opfer bringen.
Dein Name strahlt an allem Ort, und durch dein Wort wird hell das Leben.
Anbetung, Ehr und Herrlichkeit bin ich bereit, dir, Gott, zu geben
.

3) Herr, ob den Himmeln thronst du hoch und siehest doch die Tiefgebeugten.
In Angst und Widerwärtigkeit wird mir allzeit dein Antlitz leuchten.
Mach mich von allem Elend frei; denn deine Treu wird niemals enden.
Du wirst nach deinem ewgen Rat, Herr, groß an Tat, dein Werk vollenden
.

Predigt: Johannes 14, 23-27:

23 Jesus entgegnete ihm: Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und uns bei ihm eine Bleibe schaffen. 24 Wer mich nicht liebt, bewahrt meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht meines, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. 25 Das habe ich euch gesagt, als meine Bleibe noch bei euch war. 26 Der Fürsprecher aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. 27 Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!

Liebe Gemeinde!

„Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!“ Große Worte – von Jesus schon vor Kreuzigung und Auferstehung seinen Jüngern gesagt. Trotzdem: die Jünger sind erschrocken, sie sind verzagt, als es dann hart auf hart kommt: der schreckliche Tod Jesu, die Grablegung, die große Frage: wie soll es weiter gehen?

Was immer von Jesus zu Lebzeiten an Ermutigendem gesagt worden sein mag – für die Jünger hat es der harten Realität nicht standgehalten. Ihr nichts entgegenzustellen gehabt. Selbst die Erfahrung der Auferstehung hat zunächst einmal nicht so eingeschlagen, wie man es erwarten würde. Was da geschehen ist, bleibt irritierend. Der Glaube: ja, er ist auferstanden, ist zunächst einmal nur eine Momentaufnahme. Mit der Himmelfahrt geschieht eigentlich wieder ein Rückschlag. Gewiss: auch hier große Worte: ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt. Wieder eine tröstliche Zusage. Doch: kommt sie an? Lässt sie einen Glauben entstehen, der wirklich trägt, der Bestand hat, „nachhaltig“ ist?

Die biblischen Berichte lassen erahnen, dass selbst die starken Zeichen und Worte für die Jünger noch nicht wirklich ausgereicht haben. Das finde ich tröstlich, denn schließlich kennen wir das auch, das Gefühl: es ist was da an Glauben. Gut zu wissen und gut zu spüren. Aber es ist gleichzeitig auch so viel da an Zweifel, Verunsicherung, ja vielleicht auch Enttäuschung. Was ich glauben kann, reicht in herausfordernden Momenten dann manchmal doch nicht aus. Wie es der Vater eines seit der Kindheit schwer kranken Sohnes in der Begegnung mit Jesus verzweifelt formuliert: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ Mach etwas gegen die Momente, wo mein Glaube zu schwach ist. Mich nicht trägt. Ja, wo Glaube sogar der Anlass ist, Fragen zu stellen, die ich mir als Mensch ohne Glauben vielleicht gar nicht gestellt hätte. Wo ich ohne Glauben möglicher Weise leichter täte, zumindest für den Moment, wenn ich fatalistisch sagen könnte: ist halt so. Was soll man tun …

Ja, wer glaubt, stellt Fragen und will Antworten. Keine schnellen, sondern solche, die wirklich tragfähig sind. Wer glaubt stellt Fragen – an die höchste denkbare „Instanz“. An Gott selbst. An Gott, der mich geschaffen hat, in dieses Leben hineingestellt hat, der auch der Schöpfer dieser meiner Welt und der Menschen um mich herum ist. Wer glaubt, fragt: was hast du dir dabei gedacht, Gott? Will verstehen, welche großen Zusammenhänge die Welt zusammenhalten und unsere Leben bestimmen.

Die Jünger Jesu, die haben in seiner Nähe, in seinen Worten und Taten, begonnen, etwas zu erahnen, von dem, was Gott ist und was er will. Nicht, dass sie sich als fromme Juden nicht auch schon vorher Gedanken darüber gemacht hätten. Aber in der Begegnung mit Jesus haben sie Gott neu entdecken können, als Beziehung, als Vertrauensverhältnis, als der Liebende, als der, der Liebe, Unterstützung, tragende Gemeinschaft entstehen lässt. Sie haben Gott als einen mitten uns, als einen von uns kennen gelernt. Als einen, der Mensch wird und Menschliches erlebt und auch aushalten und ertragen muss: Unmenschliches, das Menschen einander antun. Aber das große Rätsel des Mensch-Seins: unsere Vergänglichkeit.

Gott erleben als Beziehung, das hat Jesus seine Jünger und Jüngerinnen gelehrt. Ihnen vorgelebt, was das konkret heißt, im Umgang mit Menschen, die Nähe, Fürsorge, wiederhergestellte Beziehung ganz besonders gebraucht haben: Menschen am Rande der Gesellschaft. Wer mit Jesus mitgezogen ist, Zeuge von begeisternden Predigten und erstaunlichen Wundern geworden war, der hatte leicht glauben. Aber danach, wo seine Präsenz, seine Gegenwart neu gedacht werden muss: tot, aber doch auferstanden, da, aber doch ganz anders als vorher, und schließlich in den Himmel aufgefahren. Ist das nicht alles zu verwirrend, um wirklich glauben zu können?

Das ist der Moment, wo das Pfingstereignis einsetzt, an das wir uns letzten Sonntag erinnert haben. Die ekstatischen Phänomene, die uns berichtet werden, haben die Jüngerinnen und Jünger mit neuer „Glaubensenergie“ gefüllt, ihnen den Druck der Wochen davor genommen, es ihnen möglich gemacht, sich wieder so ganz vertrauensvoll in die Beziehung zu Gott fallen zu lassen. Sich treiben zu lassen von Gottes Geist.

Ein Ereignis, dass laut Pfingstbericht nach einer Predigt des Apostel Petrus zu einem Zuwachs von 3000 Mitgliedern in der jungen Jerusalemer Gemeinde führt. 3000 – eine stattliche Zahl. Um damit gleichzuziehen müsste wir heute noch 2999 Eintrittswillige finden. Aber auch nur ein neues Mitglied zu haben, ist etwas Besonders. Noch dazu, wenn es aus einer „Pfingstkirche“ kommt. Das zählt sicher extra.

Wir freuen uns über einen Menschen, der in unsere Gemeinschaft gefunden hat. Mehr noch, und das dürfen wir glauben: den Gott in unsere Gemeinschaft geführt hat. Das effektvolle Rauschen des Heiligen Geistes zu Pfingsten noch in unserem Kopf gilt es, nach dem nachhaltigen Wirken des Geistes heute, hier und jetzt zu fragen. Und da ist der Blick auf die Zusage Jesu im Johannesevangelium hilfreich: Der Fürsprecher aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. (V. 26). Nein, der Heilige Geist fährt nicht immer so ein wie damals am ersten Pfingstfest. Der Geist Gottes sucht sich auch andere Wege, lehrt und erinnert, wie es in der Rede Jesu heißt. Hilft uns, unsere Gedanken zu ordnen, nicht von unseren Fragen erdrückt zu werden, nicht unseren Ängsten und Sorgen zu erlauben, die Oberhand zu gewinnen. Und erinnert: an die Momente, in denen wir die Beziehung zu Gott als ermutigend und tröstlich und stärkend erlebt haben. An Augenblicke, wo die Beziehung zu Gott durch Mitmenschen entstanden ist, wir füreinander Gottes Handlanger und Werkzeuge sein konnte. Momente, in den Glaube nicht nur „funktioniert“ hat, sondern ganz real greifbar eine enorme Kraft entwickelt hat.

Erinnern ist ein großes Thema in der Bibel. Erinnern an das, was Gott getan hat – als Ermutigung, als Motivation, als Hoffnung schaffend Kraft, als Trost im Hier und Jetzt. Der Geist Gottes ist da, weil er schon immer da war. Und wird weiter da sein. Amen.

Lied: Martin A. SeidlEvangelisches Gesangbuch 641: Meine Hoffnung und meine Freude

Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke, mein Licht:
Christus meine Zuversicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.

Fürbittengebet:

Gott, wir danken dir für die Gemeinschaft,
zu der du uns durch deinen einenden Geist verbindest.
Lass uns geistesgegenwärtig sein.
Komm mit deinem Geist in deine Christenheit.
Bewahre in uns die Sehnsucht nach der Einheit der Kirchen
in versöhnter Verschiedenheit,
dass wir einander bereichern durch die unterschiedlichen Frömmigkeiten;
und nimm Wohnung bei uns!
Komm zu allen, die dich verloren haben,
und zu denen, die dich nur im Außergewöhnlichen suchen.
Setze sie neu auf deine Spur,
dass sie dich auch im Alltäglichen wahrnehmen.
Wecke unsere Sinne, damit wir dein stilles Wirken in unserer Welt entdecken.
Komm zu allen, die untröstlich sind,
weil sie einen wichtigen Menschen verloren haben
oder eine Liebe zerbrochen ist.
Komm mit deinem Trost, der den Schmerz aushält und in die Zukunft führt.
Komm zu uns und sende deinen Geist der Weisheit,
damit wir in der Flut der Meinungen
das Wesentliche und Lebensdienliche finden.
Komm, Geist des Friedens, in die zerrissene Welt,
schenke Brückenbauer, die Verständnis schaffen;
erweiche und bewege das Herz der Verfeindeten und Mächtigen.
Gib den Mut zu neuen Anfängen und Gesten der Verständigung.
Komm, Heiliger Geist, mit deinem Schöpfungsatem,
und das Antlitz der Erde wird neu!
Amen.

Unser Vater  …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Postludium: Martin A. Seidl: Surrexit pastor bonus von Orlando di Lasso (1532 – 1594)