Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 21. Februar 2021
mit Pfr. Johannes Wittich


Orgelvorspiel: Juliane Schleehahn
Spruch: Jh. 3,8b:

Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, dass er die Werke des Teufels zerstöre.

Begrüßung:

Ja, vieles ist „teuflisch“, vertrackt, mühsam, nicht in den Griff zu kriegen in unserem Leben. Das bindet Energie, nimmt uns Lebensfreude, macht uns müde und erschöpft. All dem dürfen und können wir unseren Glauben entgegenstellen. Unseren Glauben, dass mit Christus alles „Teuflische“ in die Schranken gewiesen wird.

Mit jedem Gottesdienst bekennen wir das, lassen uns stärken und ermutigen. So feiern wir Gottesdienst, aufgebaut durch Gottes Kraft, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Psalm 91,1.3-6.11-12:

1 Wer im Schutz des Höchsten wohnt,
der ruht im Schatten des Allmächtigen.

3 Er rettet dich
aus der Schlinge des Jägers,
vor Pest und Verderben.
4 Mit seinen Schwingen bedeckt er dich,
und unter seinen Flügeln findest du Zuflucht,
Schild und Mauer ist seine Treue.
5 Du musst dich nicht fürchten vor dem Schrecken der Nacht,
vor dem schwirrenden Pfeil am Tag,
6 nicht vor der Pest, die umgeht im Finstern,
vor der Seuche, die wütet am Mittag.

11 Denn er wird seinen Boten gebieten,
dich zu behüten auf allen deinen Wegen.
12 Auf den Händen werden sie dich tragen,
damit dein Fuss nicht an einen Stein stosse.

Gebet:

Gütiger Gott,
auch wenn wir das Gute wollen,
wird es manchmal böse.
Wir haben uns oft nicht im Griff,
reden uns heraus oder tun so,
als seien wir es nicht gewesen.
Du, Gott, weißt es besser.
Du kennst uns, wir können dir nichts vormachen,
du kennst uns,
unser Licht und unseren Schatten,
unsere Freundlichkeit und unsere Bosheit.
Wir bitten dich um dein Erbarmen.
Dennoch bleibst du, Gott, immer bei uns.
Wenn wir vor uns selbst erschrecken,
Gott, den Abgrund in uns erblicken,
halte uns fest.
Das bitten wir dich,
der du das Gute in uns stärkst.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 358, 1.3: Es kennt der Herr die Seinen

1) Es kennt der Herr die Seinen und hat sie stets gekannt,
die Großen und die Kleinen in jedem Volk und Land.
Er lässt sie nicht verderben, er führt sie aus und ein;
im Leben und im Sterben sind sie und bleiben sein
.

3) Er kennt sie als die Seinen an ihrer Hoffnung Mut,
die fröhlich auf dem einen, dass er der Herr ist, ruht,
in seiner Wahrheit Glanze sich sonnet, frei und kühn,
die wundersame Pflanze, die immerdar ist grün.

Predigttext: Mt. 26, 20-25:

20 Am Abend saß er mit den Zwölfen bei Tisch.
21 Und während sie aßen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich ausliefern.
22 Und sie wurden sehr traurig und begannen, einer nach dem andern, ihn zu fragen: Bin etwa ich es, Herr?
23 Er aber antwortete: Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich ausliefern.
24 Der Menschensohn geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht, doch wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird. Es wäre besser, er wäre nicht geboren, dieser Mensch!
25 Da entgegnete Judas, der ihn ausliefern sollte: Bin etwa ich es, Rabbi? Da antwortet er ihm: Du sagst es!.

Liebe Gemeinde!

Was wäre die Passionsgeschichte ohne Judas!.

Mit Mittwoch letzter Woche, dem Aschermittwoch, hat die Passionszeit begonnen. Wir sind seither unterwegs Richtung Karfreitag und Ostern. Die damit verbundenen Berichte der Bibel, die Themen und Motive, sind vielfältig und vielschichtig. Manch ein Frage taucht in dieser Zeit auf, nach dem Sinn des Leidens Jesu, nach dem Plan Gottes hinter all den Ereignissen, nach Schuld und Sünde, von denen wir durch den Tod Christi frei werden. Glaubensfragen, theologische Fragen, aber auch solche nach dem, was im historischen Kontext damals passiert ist. Wir sind schockiert über die Grausamkeit von Herrschern und Herrschaftssysteme, über das Leiden eines Unschuldigen, über die Brutalität und den Sadismus, den Menschen „von nebenan“ entwickeln können. Und wissen, dass das Alles auch heute geschieht.

Fragen, auf die wir Antworten suchen, auf Antworten hoffen. Im Lichte von Karfreitag und, vor allem, von Ostern, kann das möglich sein. Mit der Auferstehung, mit dem Glauben der ersten Zeuginnen und Zeugen, werden wir dann die Passionszeit hinter uns lassen. Zumindest für einen Moment – denn was am Ostersonntag beantwortet zu sei scheint, wird sich gleich wieder in neue Fragen verwandeln, weil Leid weiter existiert, weil Ungerechtigkeit nicht einfach verschwindet, weil uns Glaubenszweifel und Lebenskrisen beuteln, weil wir uns nicht lösen können von den Verstrickungen in die Dunkelheiten dieser Welt.
.
Ja, die Passionsgeschichte ist eine Geschichte, die einen persönlich fordert. Schon damals konnten Menschen sich nicht einfach distanzieren; sie wurden vor schwierige Entscheidungen gestellt: schaue ich tatenlos zu bei dem, was da passiert, oder wehre ich mich dagegen; trete ich für diesen Jesus ein oder reihe mich in die Gruppe derer ein, die ihm übel mitspielen; bin ich Mitläufer oder vielleicht sogar einer, der profitiert von den Vorgängen; habe ich Mitgefühl oder treten in meiner Sensationsgier als „unbeteiligter Zuschauer“ dunkle Seiten von mir zu Tage, von denen ich eigentlich lieber nichts gewusst hätte?

Die Passionsgeschichten fordern auch uns heraus, wir kommen nicht umhin, beim Lesen und Hören auch persönlich Stellung zu beziehen, weil es ja konkrete Personen sind, die auftreten, mit ihrem jeweiligen Verhalten und ihrer jeweiligen Rolle, die sie spielen. Und eine dieser Personen ist eben Judas.

Wie wären die Ereignisse verlaufen ohne Judas? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, dass Judas die Fehlentscheidung seines Lebens gefällt hat. Mit tragischen Folgen für ihn: bei Matthäus zerbricht er an seiner Schuld und begeht Selbstmord; laut Lukas, in der Apostelgeschichte, verunglückt er kurze Zeit nach dem Verrat tödlich. Und in den zwei Jahrtausenden, seitdem es Christinnen und Christen gibt, kriegt er regelmäßig seine „Watschen“ ab, wann immer von ihm die Rede ist.

Wie wird jemand zum sprichwörtlich gewordenen „Judas“? Über die Motive des biblischen Judas für seinen „Verrat“ kann bis heute nur spekuliert werden. Manches deutet auf reine Geldgier hin – er wollte sich die 30 Silberlinge sichern. Sein Beiname „Ischariot“ haben manche mit den Sikariern, einer jüdischen Guerrilla-Organisation gegen die Römer in Verbindung gebracht. Diese haben versucht, mit Gewalt die Römer zu vertreiben. Als Judas, so die Theorie, gemerkt hat, dass Jesus zu einem Aufstand gegen die Römer nicht bereit sein würde, hat er aus Wut und Enttäuschung darüber ihn verraten. Noch spannender ist eine dritte Theorie: Judas glaubte, Jesus ausliefern zu müssen, um damit ein „Showdown“ zwischen ihm und seinen Gegnern zu provozieren. Im Glauben, dass Jesus, der Messias, siegreich aus diesem Konflikt austeigen, seine Stärke, seine Macht, seine Überlegenheit erst angesichts dieser Herausforderung zeigen würde.

Wenn es so gewesen ist, dann erinnert mich Judas ein wenig an die heutigen „Corona-Kritiker“ und selbst ernannten „Querdenker“. Abgesehen von den echten Spinnern mit vollständig wirren Ideen unter diesen Menschen nehme ich einigen schon ab, dass sie grundsätzlich wirklich etwas Gutes wollen, wie die anscheinend gefährdete Demokratie und ihre Freiheitsrechte zu retten, Schaden von der Wirtschaft abzuwenden, die psychischen und zwischenmenschlichen Folgen des Lockdowns aufzuzeigen. Nur, das gut Gemeinte ist eben nicht immer gut, schon gar nicht, wenn Verschwörungstheoretiker sich des Themas bemächtigen, Neonazis auf den fahrenden Zug aufspringen und Demonstrationen zur Verbreitung genau desselben Virus führen, dessen Gefährlichkeit man in Frage stellt.

Aber bevor wir hier anfangen, und besser und überlegen zu fühlen: vor dem „Judas-Syndrom“ sind wir alle nicht gefeit. Judas hat geglaubt, den Plan Gottes mit Jesus zu unterstützen und zu beschleunigen – und endet damit, ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben. Eine riesige Schuld, mit der er dann nicht mehr leben kann.

Was ist sein Fehler: er glaubt, dass er das alles tun muss, damit Gott seine Sache durchziehen kann. Und überschätzt sich damit restlos. Wenn Gott etwas will, dann schafft er das auch selbst. Wenn Gott das Gute will, dann freut er sich, wenn wir das Gute tun. Aber wenn wir versuchen, selbst Gott zu spielen, dann geht das ordentlich schieft.

Das Bekämpfen und Besiegen des „Teuflischen“, des Bösen in seinem Kern, das ist Sache Gottes. Wir sind keine „Gotteskrieger“ in einem apokalyptischen Kampf von Gut gegen Böse, wie es nicht nur islamische Fundamentalisten, sondern auch manche christlichen Splittergruppen glauben. Dieser vermeintliche Kampf ist bereits geschlagen und entschieden. Durch Gott selbst. Durch Christus, seinen Sohn. Dessen versichern wir uns wieder an Karfreitag und Ostern.

Alles Entscheidende ist für uns schon geschehen. Für uns. Nichts kann uns mehr wirklich etwas anhaben. So gelassen dürfen wir leben.

Amen.

Gebet:

Herr, Du kennst uns,
unsere Unsicherheit
unsere Irrtümer und Irrwege.

Du kennst unsere Trauer,
unsere Hoffnung,
unsere Sehnsüchte,

Darum bitten wir dich für alle,
die einen lieben Menschen verloren haben,
Trost suchen,
und ihn finden können bei dir
.

Wir bitten dich für alle,
die auf dem falschen Weg sind,
im Hass auf jemanden,
im Leiden an jemandem,
in heimtückischer Freude am Bösen,
in der Lust am Chaos und am Untergang,
in Angst, Zweifel und Not
.

Sende dein Licht,
auf dass wir freundlich werden,
Vergebende,
auf dass wir Freude haben an Güte und Ehrlichkeit,
an Hoffnung und Zuversicht;
auf dass wir Mut, Glauben und Heil spüren in Dir.

Lass uns unserer Rettung gewiss sein,
die du uns schenkst.
Amen.

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Gott sei vor dir, um dir einen guten Weg zu zeigen
Gott sei neben dir, um dich in die Arme zu schließen,
um dich zu schützen gegen Gefahren.
Gott sei hinter dir, um dich zu bewahren vor der Heimtücke des Bösen.
Gott sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst.
Gott sei mit dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist.
Gott sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen.
Gott sei über dir, um dich zu segnen.
So segne dich der gute Gott, heute und morgen und immer.

Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Preludium in a Moll von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)