Foto: Elisabeth Wittich

 

Freiluftgottesdienst der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 21. Juni 2020
mit Johannes Wittich, Gerti Rohrmoser und Martin Seidl (Musik)


Klaviervorspiel (Martin Seidl): Georg Friedrich Händel: Wassermusik
Spruch: Johannesevangelium 3,8:

Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, weißt aber nicht,
woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist. Der Geist weht, wo er will.

Begrüßung:

Ja, der Wind weht, wo er will. Heute, mit Regenwolken zu
Ungunsten unseres Plans, den Gottesdienst im Freien zu feiern. Der Wind der Zeit hat in den letzten Wochen auch Einiges an Flexibilität von uns gefordert. Nicht zuletzt auch im gottesdienstlichen Leben unserer Gemeinde.
Dabei ist es immer um eines gegangen: die Sorge, ja auch das Richtige zu tun, vor allem um unsere Gemeinschaft, die Menschen in ihr zu schützen.

Auch der Geist Gottes fordert uns manchmal heraus. Wenn wir Dinge anders haben wollen, als sie sind, sie sich aber trotzdem nicht ändern. Der Geist Gottes weht, wo er will, wir können ihn über ihn bestimmen. Das ist die große Freiheit Gottes, ohne die er nicht Gott wäre. Allerdings: der Geist Gottes weht uns auch immer wieder zusammen, macht uns zu einer Gemeinschaft, schafft besondere Momente. So wie heute, wenn wir miteinander feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Gebet:

Guter Gott,
wir kommen, woher wir kommen
und wir kommen so, wie wir sind:
Viel bringen wir mit –
Unsere Sorgen und Ärgernisse
Unseren Kummer und unsere Verfehlungen.
Unsere Durchschnittlichkeit und unsere Gleichgültigkeit.
Alles breiten wir vor Dir aus.
Denn wir hoffen auf Dich!
Sei du uns Ansporn und Trost.
Mach unseren Blick wach, unser Ohr empfindsam,
damit wir Dein Wort hören und sehen was Not-Wendend ist
Wir bitten,
viel mehr als kluge Gedanken
schenk uns einen klaren Verstand und starke Arme.
Lebendiges Zeugnis Deines Wirkens zu sein
Und Dein Reich sichtbar zu machen in unserer Welt.
Amen.

(Gerti Rohrmoser)

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 136, 1-3: O komm, du Geist der Wahrheit

1) O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.

2) O du, den unser größter
Regent uns zugesagt:
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharf geschliffnen Waffen
der ersten Christenheit.

3) Unglaub und Torheit brüsten
sich frecher jetzt als je;
darum musst du uns rüsten
mit Waffen aus der Höh.
Du musst uns Kraft verleihen,
Geduld und Glaubenstreu
und musst uns ganz befreien
von aller Menschenscheu.

Predigttext: 1. Sam. 10, 1-11

1 Und Samuel nahm den Krug mit Öl und goss es über sein (Sauls) Haupt und küsste ihn und sprach: So hat dich der HERR zum Fürsten über seinen Erbbesitz gesalbt!
2 Wenn du heute weggehst von mir, …
5 … wirst du nach dem Gibea (Hügel) Gottes kommen, wo die Statthalter der Philister sind. Und wenn du dort in die Stadt kommst, wirst du auf eine Schar von Propheten stossen, die von der Kulthöhe herabkommen, und vor ihnen her Harfe, Pauke, Flöte und Leier, und sie werden sich wie Propheten gebärden.
6 Dann wird der Geist des HERRN dich durchdringen, und du wirst dich zusammen mit ihnen wie ein Prophet gebärden, und du wirst in einen anderen Menschen verwandelt werden.
7 Und wenn diese Zeichen für dich eintreffen, tu, was sich dir anbietet, denn Gott ist mit dir.
8 Und du sollst vor mir hinab nach Gilgal gehen, und sieh, ich werde herabkommen zu dir, um Brandopfer darzubringen und Heilsopfer zu opfern. Sieben Tage sollst du warten, bis ich zu dir komme und dich wissen lasse, was du tun sollst.
9 Und als er Samuel den Rücken zugewandt hatte, um von ihm wegzugehen, da verwandelte ihm Gott das Herz, und an jenem Tag trafen alle diese Zeichen ein.
10 Und als sie dorthin, nach Gibea, kamen, sieh, da kam ihm eine Schar von Propheten entgegen, und der Geist Gottes durchdrang ihn, und er gebärdete sich unter ihnen wie ein Prophet.
11 Als aber alle, die ihn von früher her kannten, sahen, wie er sich mit Propheten wie ein Prophet gebärdete, sagte im Volk einer zum anderen: Was ist denn geschehen mit dem Sohn des Kisch? Ist auch Saul unter den Propheten?

Dialogpredigt (Johannes Wittich und Gerti Rohrmoser):

Liebe Gemeinde!

Wie bereitet man sich auf einen Spitzenjob vor? Vor alle auf einen solchen, den man eigentlich gar nicht will, oder mit dem man nicht gerechnet hat? Für Saul stellt sich diese Frage. Er ist eigentlich vom väterlichen Bauernhof nur losgezogen, um eine Herde ausgebüxter Eselinnen zu finden. Zurück kommt er, die Geschichte ist bekannt, mit der Würde eines Königs von Israel. Weil ihm unterwegs Samuel begegnet. Eine von Gott inspirierte Autorität im Volk. Und der erkennt: diese Bauernbursch, das ist der, der unser König werden soll. Der, den uns Gott als König geben will.

Und so salbt Samuel den jungen Saul zum König. Allerdings: sein Amt tritt er nicht sofort an. Diese Segenshandlung ist auf die Zukunft ausgerichtet: du wirst einmal König sein, aber jetzt schon liegt der Segen Gottes auf dir. Du bist ermächtigt und befähigt. Und wenn es dann soweit ist, mit der eigentlichen Ernennung zum König, dann bist du bereit und bestens vorbereitet.

Saul zieht weiter nach seiner Salbung durch Samuel. Einige Zeichen, dass er auf dem richtigen Weg ist, sind ihm vorausgesagt worden, die dann auch eintreffen. Unter anderem, dass er auf eine Gruppe von Propheten stoßen wird. Genau genommen auf eine Propheten-Gruppe mit musikalischer Unterstützung: durch Harfe, Pauke, Flöte und Leier. Diese Propheten haben sich auf einer alten Kulthöhe versammelt, dort wohl ein gottesdienstliches Ritual abgehalten, und kommen jetzt wieder zurück, Saul entgegen. Die Zeit auf diesem „heiligen Berg“ hat sie offensichtlich verwandelt. Sie sind vom Geist Gottes berührt worden und gebärdeten sich „wie Propheten“, wie es im biblischen Bericht. Und Saul, der macht genau das, was Samuel ihm gesagt hat: er lässt sich mitreißen, spürt, dass Gott etwas mit ihm macht, wird verwandelt.

Er „gebärdet sich“ also auch „wie ein Prophet“. Was meinst du, Gerti: Was passiert da eigentlich, wenn man das tut?

– – –

Das ist eine gute Frage, lieber Johannes! Viele von uns haben wahrscheinlich, wenn sie an Propheten denken, ein Bild von jemandem im Kopf, mit wirren Haaren, stechendem Blick und – im übertragenen Sinne – Schaum vorm Mund. Wir stellen uns ekstatisch zuckende, abgedrehte Typen vor, die dauernd Drohungen und Verwünschungen ausstoßen. Von all solchen Dingen steht in unserem Text ja nichts.

Nur, dass Saul sich eben plötzlich genauso benahm, wie ein Prophet… für die Zeitgenossen des Saul oder des Berichterstatters über das Geschehen, war sicher viel klarer, was das heißt, als für uns…

Und ich glaube, man darf sich unter der Berufsbezeichnung der „Propheten“ wirklich nicht smarte, wohlfrisierte Burschen in fusselfreien wohlsitzenden Anzügen vorstellen. Gott suchte Menschen aus, denen er einen besonders klaren, unverstellten Blick schenkte, die genau sahen, was schief lief in der Beziehung ihrer Zeitgenossen zu Gott und zueinander. Sie ließen sich nicht täuschen oder hinters Licht führen von den Argumenten von Machthabern oder mundtot machen durch Anfeindung oder auch durch Schmeichelei. Ohne Rücksicht auf die eigene Komfortzone oder Befindlichkeit hatten sie den Menschen mitzuteilen, dass sie nicht Gottes Willen taten und was für Konsequenzen das für sie haben wird. Das ist ein echt hartes Job-Profil und nicht umsonst versuchte so mancher Kandidat sich mit allen Mitteln einer „Anstellung“ zu entziehen. Man machte sich damit kaum Freunde und die Erfolgsaussichten waren erfahrungsgemäß gering. Da waren einem wohl Aussehen und Benimmregeln eher nicht ganz so wichtig.

Aber diesen klare, ungeschönte Blick auf das was Gott von den Menschen will, vom Einzelnen und von der Gemeinschaft geschenkt zu bekommen, das ist doch eigentlich für einen angehenden König eine ganz besondere Chance, die im krassen Gegensatz zu dem steht, was ihn dann später in seinem Amt erwartet: die scheinbaren Zwänge von Realität und Diplomatie, die vielen Kompromisse, die man zu schließen hat und letztendlich auch die Verführung durch Macht und Schmeichelei, das Gefühl der eigenen – scheinbaren – Allmacht.

Gott will den, den er zum König ausgewählt hat nicht unvorbereitet in sein Amt schicken, er lässt ihn wissen, was er zu tun hat, jenseits von politischem Kalkül und eigener Befindlichkeit.

– – –

Ja, Gerti: In heutiger Sprache könnte man vielleicht so sagen: Saul lernt die Aufgabe der Opposition kennen, bevor er in die Regierung kommt. Damit er auch nie vergisst, dass es immer auch einen anderen Blick auf die Dinge gibt. Eben einen, der nicht von Machtinteressen verstellt ist. Der die Schwachen und Bedürftigen in den Mittelpunkt stellt, deren Bedürfnissen und Rechten den Vorrang gibt

Biblische Propheten sind in der Folge immer wieder mit dem jeweiligen König und seinen Unterstützern zusammengekracht. Weil sie diese andere Sicht der Dinge an der aktuellen Politik gemessen haben. Und feststellen mussten: hier, in unserer Gemeinschaft, in unserer Gesellschaft, bleiben Menschen auf der Strecke. Das kann und darf nicht sein. Weil Gott es nicht will.

Saul muss sich also, sozusagen als göttliche Anstellungserfordernis für die Position des Königs, auch einmal als Prophet betätigt haben. Wobei es bei den Propheten, denen er in unserer Geschichte begegnet und sich für eine Zeit auch anschließt, offensichtlich nicht nur um ernste Themen geht. Wir erfahren, wie schon gesagt, dass bei ihnen auch Musik eine wichtige Rolle spielt. Nun kann Musik auch eine sehr ernste Angelegenheit sein. Alle unter uns, die als Kinder und Jugendliche Klavier-, Geigen- oder Cello-Unterricht genossen haben, können das bestätigen. Die Propheten-Kollegen des Saul aber spielen gar nicht selbst. Sie haben Profis bei der Hand. Sie lassen sich von deren Musik begeistern, mitreißen, inspirieren. Sie spüren und erfahren das Göttliche in der Musik, sie lassen sich durch Musik von Gott selbst führen. Sie geraten in Verzückung, Ekstase, oder, wie wir heute sagen würden: sie lassen einmal so richtig die Sau raus.

Um sich danach wieder ernsten Themen zuzuwenden. Saul den Aufgaben eines Königs. Die Propheten kritisch den Fragen der Zeit. Aber: es braucht dafür einfach auch die freudigen, ausgelassenen, begeisterten Momente. Miteinander. Als Menschen. Und mit Gott.

Damit es danach wieder gut und motiviert und gestärkt weiter geht. Vielleicht kann unser Zusammensein heute auch so ein Moment sein. Schön wäre es.
Amen.

Orgelzwischenspiel: Martin Seidl: Georg Friedrich Händel: Wassermusik
Jubiläumskonfirmation
Lied: Evangelisches Gesangbuch 272: Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen
Gebet:

Guter Gott,
Wir vertrauen darauf,
dass du uns führst.
Und solange du mit uns gehst,
begleite unser Streben nach
Miteinander und Füreinander
Mit deinem liebevollen Wohlwollen

Nimm uns an der Hand,
wenn wir meinen unsere Gaben seien zu klein,
unsere Kräfte zu schwach
und dein Anspruch an uns zu groß.
Schenk uns Mut und Kraft den ersten Schritt zu tun,
auch wenn wir dabei noch nicht wissen, wie wir den Weg bewältigen sollen,
den du uns zugedacht hast.

Lass uns aufeinander zugehen
So wie du immer wieder auf uns zukommst
Und lass uns einander Raum geben,
wie du uns Raum gibst,
offen und weit,
uns zu entwickeln und zu entscheiden.

Das Gespinst aus Angst, Neid und Bitterkeit,
nimm es uns aus den Händen,
wenn wir wieder einmal im Begriffe sind, es über unsere Gedanken zu werfen
und darunter in Resignation oder Gleichgültigkeit zu versinken.

Bewahre uns vor falschen Horizonten und dunklen Abgründen
Damit wir nicht in Richtungen laufen,
die uns im Kreis und an der Nase herum führen.
Und verzeih uns unsere vielen Streitigkeiten von morgens bis abends
Unser Hin- und Her-Laufen zwischen vielen Fronten.

Schenk uns stattdessen ein Quäntchen von deinem Großmut
Und deiner Heiterkeit,
dass sie bei uns wachsen und gedeihen
und wir dadurch unseren Alltag leichter bestehen.

Lass nicht zu,
dass wir dir im Gottesdienst zwar das Wort reden,
aber dich vor der Kirchentür verleugnen
mit unseren Taten.

Komm in unsere Stuben,
ja mehr noch, setz Dich mit uns an unseren Tisch
und sieh wie sehr wir dich brauchen immer
und überall auf der Welt.
Amen.

(Gerti Rohrmoser)

Unser Vater im Himmel …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Klaviernachspiel: Martin Seidl: Georg Friedrich Händel: Wassermusik