Foto: Erlöserkirche

 

 

Andacht aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 6. Dezember 2020,
mit Gerti Rohrmoser – „In guter Hoffnung“
Andacht zum 2. Adventsonntag


Präludium: Martin Seidl: Toccata D – Dur zugeschrieben Johann Krieger (1651-1735)
Spruch: Lk.21/28:

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

Begrüßung:

Der Advent, das Warten auf die Ankunft des Erlösers, ist eine Zeit, in der wir nicht so sehr zurückschauen, auf Ereignisse, die lange vorbei sind. Nein, wir schauen nach vorn, denn wir warten auf den der kommen soll, von dem wir viel erwarten für uns und unsere krisengeschüttelte Welt.
Das ist gut so.
Aber wir sollten dabei nicht den Kopf hängen lassen und nur sehen, was vor unseren Füßen liegt. Nein, wir sind aufgefordert aufzuschauen und wahrzunehmen, was rund um uns geschieht. Denn es kann sein, dass Gott anders kommt und Anderes, Überraschendes für uns bereit hält als wir erwarten.
Bei allem aber was wir tun und erfahren, dürfen wir auf Gottes Zusage vertrauen, dass wir uns nicht zu fürchten brauchen, weil er mit uns geht, wohin er uns auch führt.
Darum feiern wir diese Andacht im Namen Gottes, der es gut mit uns meint, im Namen Jesu Christi, der uns in Bewegung setzt, und im Namen der Heiligen Geistkraft, die uns langen Atem schenkt.

Gebet:

Du, unser guter Gott,
hast dich schon immer zu den Verlassenen gehalten.
Schon immer
warst du an der Seite derer,
die alle übersehen haben
und keiner trösten wollte.
Schon immer bist du Zuflucht gewesen
den Unbehausten und Ruhelosen,
den Gramgebeugten und Ängstlichen.
Aus deiner Nähe, Gott,
erwächst uns Zuversicht und Mut,
Heil und Leben.
Du bist unsere Hoffnung
und Grund zur Freude für alle Menschen,
die sich nach neuen Anfängen sehnen
für sich selbst und die Welt-
Wecke diese Freude
jetzt auch in uns.
AMEN

Bibeltext: Marias Besuch bei Elisabet (Lk 1,39-56)

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends hinauf ins Bergland in eine Stadt in Judäa; und sie trat in das Haus des Zacharias ein und grüßte Elisabet. Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias vernahm, dass das Kind in ihrem Leib hüpfte; und Elisabet wurde von heiligem Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme:
Gesegnet bist du unter den Frauen,
und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!
Wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn als der Klang deines Grußes an mein Ohr drang, da hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Ja, selig, die geglaubt hat, dass in Erfüllung geht, was ihr vom Herrn gesagt wurde.
Und Maria sprach:
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter,
denn hingesehen hat er auf die Niedrigkeit seiner Magd.
Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter,
denn Großes hat der Mächtige an mir getan.
Und heilig ist sein Name,
und seine Barmherzigkeit gilt von Geschlecht zu Geschlecht
denen, die ihn fürchten.
Gewaltiges hat er vollbracht mit seinem Arm,
zerstreut hat er, die hochmütig sind in ihrem Herzen,
Mächtige hat er vom Thron gestürzt
und Niedrige erhöht,
Hungrige hat er gesättigt mit Gutem
und Reiche leer ausgehen lassen.
Er hat sich Israels, seines Knechtes, angenommen
und seiner Barmherzigkeit gedacht,
wie er es unseren Vätern versprochen hat,
Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.

Maria blieb etwa drei Monate bei ihr und kehrte dann nach Hause zurück.

Lied: EG 18: Seht, die gute Zeit

1) Seht die gute Zeit ist da, Gott kommt auf die Erde.
Kommt und ist für alle da, kommt dass Friede werde.
Kommt das Friede werde.

2) Hirt und König, Groß und Klein, Kranke und Gesunde,
Arme, Reiche lädt er ein, freut euch auf die Stunde.
Freut euch auf die Stunde.

Predigt:

Liebe Gemeinde!

Da begegnen sich zwei.
Die eine, Maria, ist über den Berg gekommen.
Die andere, Elisabeth, hat einen verstummten Mann zu Hause sitzen,
Zacharias, dem es die Sprache verschlagen hat angesichts der Begegnung mit einem Engel.
Große Freude bei den Frauen über das Wiedersehen, Ehrerweisung für die eine und die andere.
Guter Hoffnung beide.
Hoffen auf die Befreiung von der Scham,
mysteriöse Begleitumstände bei beiden.
Das gibt Gesprächsstoff für Wochen.
Und währenddessen wächst Leben in ihnen heran,
Gotteskinder.
So erzählt es uns Lukas im ersten Kapitel seines Evangeliums, die Begegnung von Maria und Elisabeth.
Die Wirklichkeit mag freilich damals vor 2000 Jahren anders ausgesehen haben.
Keine Frau, die alleine übers Gebirge hätte gehen und monatelang von Zuhause wegbleiben können.
Das gab es nicht in der antiken Welt im Mittelmeerraum. Kinderlosigkeit eine Schande, ein uneheliches Kind ein Affront, Angriff auf die Ehre der Sippe.
Die eine, Elisabeth, erlebte das Allerschlimmste, was einer Frau damals passieren konnte: sie war kinderlos geblieben und damit ein Nichts und ein Niemand.
Die Andere, Maria, erlebte das andere Allerschlimmste was einer Frau passieren konnte: sie wurde schwanger bevor es dafür „Zeit war“, bevor sie verheiratet war, sie war ein Schandfleck, noch weniger als ein Nichts und ein Niemand.
Die Eine hatte die schwerste Zeit schon hinter sich, die andere noch vor sich.
Beide konnten sicher schwer glauben, was da mit ihnen passiert. Dass plötzlich jemand da steht – und es ist nicht irgendjemand – der zu ihnen, den Nichtsen und Niemanden sagt: Ich bin da, fürchtet euch nicht, ihr seid geborgen in meiner Hand und damit hat in Eurem Leben etwas ganz Neues Platz.

Ich stelle sie mir vor, die beiden Frauen, in diesem Augenblick: Wie sie sich in den Armen liegen und sich freuen – gegen jede Vernunft und gegen die gängigen Vorstellungen ihrer Zeitgenossen, wie sie reden über die kleinen und großen Alltagssorgen, über die Beschwernisse und Freuden der Schwangerschaft, wie sie Tee trinken und tuscheln und lachen, wie sie ernst werden, weil sie die göttliche Verheißung nicht fassen können, die auf ihnen und ihren Kindern liegen soll.
Und immer wieder behutsam und zärtlich die Hände auf dem Bauch, guter Hoffnung eben.
Das könnte Advent auch für uns sein: Guter Hoffnung sein, tatsächlich noch etwas vom Leben und von Gott erwarten. Über den Berg gehen, die alltäglichen Sorgen und Schwierigkeiten überwinden. Nicht nur Mühseliges und Ärger vor sich hertragen und analysieren, sondern Lachen mit Freundinnen und Freunden – auch wenn das jetzt vielleicht nur am Telefon geht. Guter Hoffnung sein und sich dem Unglaublichen stellen: dass auf dem, was wir in uns tragen an Ideen, Lebendigkeit, an Geheimnisvollem der Segen Gottes liegt. Wenn wir der guten Hoffnung Raum geben, werden wir Heiliges in die Welt bringen. Dazu sind wir berufen und darum kommt Gott alle Jahre wieder in die Welt.

Fürbitte: 

Guter Gott, wir danken Dir,
dass wir immer und allezeit darauf vertrauen dürfen,
bei dir willkommen zu sein,
Fürchte dich nicht, ich bin bei Dir,
das ist Deine Zusage an uns.
Darum halten wir Ausschau nach Dir,
damit wir in unserer komplizierten Welt
Glauben, Liebe und Hoffnung behalten.

Wir bitten für die, die es nie aus und vorbei sein lassen wollen
mit Gewalt und Unrecht,
die in Kauf nehmen, dass andere in Angst und Schrecken leben,
fliehen müssen aus Vaterland und Muttersprache
oder in der Heimat zugrunde gehen.
Wir beten für alle Menschen und Völker, die gedemütigt werden.
wir beten um den Willen zum Frieden, und um Frieden in unserer Welt
.

Gott wir halten Ausschau nach dir,
damit du uns zum Leben überredest und zum Lieben überzeugst.
Wir bitten dich für alle, die jede Hoffnung aufgegeben haben,
die keiner Antwort mehr Glauben schenken
und schon gar nicht mehr fragen.
Wir benennen vor dir den Skandal, dass in unserer Überflussgesellschaft
Millionen ohne Arbeit leben,
in einem Erdteil voll äußerem Wohlergehen
ungezählt viele seelisch krank sind.
Wir bitten dich für alle Menschen, die am Leben verzweifeln
.

Gott, wir halten Ausschau nach dir,
damit deine Gegenwart
auch – und gerade jetzt – in unseren Glaubensgemeinschaften spürbar bleibt.
Lass die aufrichtige Frische ihres Ursprungs wiederkehren,
weltweit und in den einzelnen Gemeinden.
Wir bitten dich um gegenseitigen Respekt vor dem Glauben
und der Erkenntnis der anderen.

Gott, wir halten Ausschau nach dir,
und hoffen, dass deine Nähe für uns spürbar und begreifbar wird in unserem Alltag.
In der Stille bringen wir vor Dich, was uns im Herzen und unter den Nägeln brennt….

Guter Gott, hab Geduld mit uns,
mach unsere Hoffnung stark
und flüstere es uns immer wieder in unsere Ohren und Herzen:
Fürchtet euch nicht!

Unser Vater im Himmel …

Lied: EG 1, 3-5: Macht hoch die Tür:

3) O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat!
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein!
Er ist die rechte Freudensonn´,
bringt mit sich lauter Freud´ und Wonn´.
Gelobet sei mein Gott;
mein Tröster früh und spat.

4) Macht hoch die Tür’, die Tor’ macht weit,
eu´r Herz zum Tempel zubereit’;
die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud´;
so kommt der König auch zu euch,
ja Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad´.

5) Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
Den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
Sei ewig Preis und Ehr.

Segen:

Du Gott des Neubeginns,
segne unsere Hoffnung
und unser Vertrauen in deine Verheißung,
damit wir mit wachem Herzen
unsere Sehnsucht nach dir lebendig halten,

Segne unsere Hoffnung
und unser Vertrauen in deine Wiederkunft,
damit wir mit wachem Blick
Ausschau halten wo du uns entgegen kommst,
voll Freude,
bereit für die Begegnung mit dir.

Segne unsere Hoffnung
und unser Vertrauen in deine Gegenwart,
damit wir hellwach
ausgerichtet bleiben auf dich,
offen und empfänglich für dein Wort,
das uns jeden Tag neu ins Leben ruft.
Amen.

(Hannelore Bares)