Andacht aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 12. April 2020
Ostersonntag mit Pfr. Johannes Wittich


Musik zur Einstimmung
Offenbarung 1, 17b-18: 

Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der
Lebendige; ich war tot und siehe, ich lebe in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.

Begrüßung:

Keine Angst! Das ist die Botschaft des Ostermorgens. Warum keine Angst? Weil der Angst die Grundlage entzogen ist. Was könnte mehr Angst machen als Totenreich und Unterwelt? Wohl kaum etwas! Aber: niemand kommt dort mehr hinein. Geschlossen – nicht nur auf unbestimmte Zeit, wie Vieles im Moment, sondern für immer!

So hat alles Schwere und Bedrückende nicht mehr das letzte Wort. Hoffnung ist stärker, und Freude am Leben. Darum feiern wir auch diese Andacht in einer Zeit, in der das eigentlich nicht möglich ist. Die Kirche füllt sich mit denen, die in Gedanken mitfeiern. Die gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet (Gerti Rohrmoser): Guter Gott,

es ist so leicht, alles Gute von oben zu erwarten
und zu schimpfen und bitter enttäuscht zu sein, wenn es nicht eintrifft.
Nicht in den Himmel zu starren,
sondern selbst die Verantwortung zu übernehmen, fällt viel schwerer…
Damit es uns gelingen möge, in unserem Glauben zu wachsen
und schließlich erwachsen zu werden sende uns Deinen guten Geist, Gott
Mach unsere Ohren und Augen empfindsam und wach,
mach unseren Verstand weit
und unser Herz bereit,
dich zu suchen und zu finden.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 112, 1-3: Auf, auf, mein Herz mit Freuden

1) Auf, auf, mein Herz, mit Freuden
nimm wahr, was heut geschieht;
Wie kommt nach großem Leiden
nun ein so großes Licht!
Mein Heiland war gelegt,
da, wo man uns hinträgt,
wenn von uns unser Geist
gen Himmel ist gereist.

2) Er war ins Grab gesenket,
der Feind trieb groß’ Geschrei.
Eh er’s vermeint und denket,
ist Christus wieder frei
und ruft “Viktoria”,
schwingt fröhlich hier und da
sein Fähnlein als ein Held,
der Feld und Mut behält.

3) Das ist mir anzuschauen
ein rechtes Freudenspiel;
nun soll mir nicht mehr grauen
vor allem, was mir will
entnehmen meinen Mut
zusamt dem edlen Gut,
so mir durch Jesus Christ
aus Lieb erworben ist.

Markusevangelium 16, 9-15:

9 Als er aber frühmorgens am ersten Tag der Woche auferstanden war, erschien er zuerst Maria aus Magdala, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte.
10 Die ging und berichtete es denen, die mit ihm gewesen waren und jetzt nur noch weinten und klagten.
11 Und als sie hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht.
12 Danach aber zeigte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen, die unterwegs waren aufs Feld hinaus.
13 Und die gingen und berichteten es den Übrigen, und auch denen glaubten sie nicht.
14 Zuletzt zeigte er sich den elfen, als sie bei Tisch sassen, und tadelte ihren Unglauben und ihre Hartherzigkeit, weil sie denen, die ihn als Auferweckten gesehen hatten, nicht geglaubt hatten.
15 Und er sagte zu ihnen: Geht hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium aller Kreatur.

Eigentlich hätten wir heute einen Generationengottesdienst in unserer Erlöserkirche gehabt: die Sessel in einem Kreis auf die Seite gerückt, der Teppich in der Mitte des Raums, Kinder auf Polstern sitzend, manche Erwachsene auch, oder lieber auf den Sesseln, um den Rücken und die Knie zu schonen. Und nicht zuletzt: auf dem Teppich ein kleiner Tisch, darauf Brot und ein Kelch mit Traubensaft. Denn schließlich feiern wir unsere generationenübergreifenden Gottesdienste immer mit „kinderoffenen Abendmahl“, so gestaltet, dass auch die Kinder gut verstehen können, worum es beim Abendmahl geht.

Manchmal haben mir Erwachsene nach einem Generationengottesdienst gesagt, dass die Einfachheit der Predigt auch sie angesprochen hätte. Und auch, dass die schlichte Form des Abendmahls ihnen geholfen habe, dessen Bedeutung wieder einmal ganz neu zu verstehen. „Amen, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich hineinkommen,“ hat auch Jesus einmal gemeint (Mt. 18,3). Da ist schon etwas dran.

Deshalb habe ich heute auch ein Kurz-Comic mitgebracht. Die kleine Mina beschäftigt sich mit der Ostergeschichte, und hat die Fragen, die wir uns auch alle stellen: ist es wirklich so passiert, wie es die Bibel, die Evangelien berichten? Dass Jesus gestorben ist, ins Grab gelegt wurde, an Ostern wieder „richtig gelebt“ hat und aus dem Grab gekommen ist.

Und die Antwort der Mutter von Mina? Die ist einfach: „Na klar, genau so war es!“ Eine klare Antwort – doch hier fangen für Mina erst die Fragen an. Das ist nachvollziehbar, weil es uns auch so geht wie ihr. Einfach nur zu sagen: „So war es nun einmal zu Ostern, Punktum!“, ist nicht wirklich hilfreich, wenn Fragen kommen. Fragen nicht nur nach dem, was aus historischer Sicht damals geschehen ist. Sondern viel mehr noch die Frage nach der Bedeutung des Ganzen: Wozu der Tod Jesu? Wozu die Auferstehung? Was hat das mit mir heute zu tun?

Ganz offensichtlich dürften auch die Anhängerinnen und Anhänger von Jesus zunächst einmal überaus skeptisch gewesen sein, was die Auferstehung betrifft. Darüber berichtet das Markusevangelium: Maria von Magdala berichtet den Jüngerinnen und Jüngern von der Auferstehung – und niemand glaubt ihr. Lieber trauert man weiter. Dann zeigt sich der Auferstandene noch einmal, zunächst zwei Jüngern. Auch diesen nimmt man ihren Bericht nicht ab. Schließlich greift Jesus direkt ein und erscheint allen Jüngern auf einmal. Und macht ihnen heftige Vorwürfe: „Warum habt ihr denen, die mich gesehen haben, nicht geglaubt?“

Wie hätten sie auch sollen, denke ich mir. Was nur unglaublich ist, ist nicht zu glauben. Glaube beginnt dort, wo das zu Glaubende etwas bewirkt. Die Jünger von Jesus hatten sich nach seinem Tod eine Art Selbstquarantäne auferlegt, innerlich wie äußerlich: sie haben sich versteckt vor der feindlich gesinnten Welt da draußen. Und sie haben sich ganz ihrer Trauer hingegeben. Bis ihnen Jesus erscheint. Erst dann können sie glauben. Vielleicht war es aber auch umgekehrt: sie haben zu glauben begonnen. Und als ihr Glaube zu wirken begonnen hat, da konnten sie dann auch erstmals sehen, dass Jesus da ist.

Dieses „Da-Sein“ Jesu, das ist, finde ich, das Entscheidende. Dieses „Da-Sein“ Jesu können auch wir gerade jetzt sehr brauchen. Und erleben es ja auch, in all den tröstlichen und aufbauenden Momenten, die wir erleben. Freundlichkeit, Nachbarschaftshilfe, gegenseitige Unterstützung, zuvor nie gekannte Verbundenheit. Zeichen gegen die Krise. „Lebens-Zeichen“ im wahrsten Sinne des Wortes, entgegengestellt diesem gefährlichen Virus. Das zur tödliche Bedrohung werden kann, gewiss. Aber ganz sicher nicht mächtig genug ist, uns unsere Hoffnung zu nehmen. Oder unsere Lebensfreude. Schon gar nicht die nach wie vor vorhandenen Freundschaften und Beziehungen, die jetzt eben über andere Kanäle gepflegt werden.

Es ist nicht einfach mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu. Aber in jedem Lebens-Zeichen, das uns hilft, uns nicht von der augenblicklichen Krise unterkriegen zu lassen, verstehen wir ein wenig mehr, was die Jüngerinnen und Jünger damals erlebt haben.

Zumindest hoffe ich, dass das eine Antwort auf Minas Fragen sein kann.

Amen.

Gebet: Guter Gott,

unsere Fragen sind gut aufgehoben bei dir.
Weil du die Antworten weißt,
auch die, die wir nicht kennen,
nicht erkennen können,
nicht akzeptieren wollen.

Antworten gibst du uns auch
in den alltäglichen Wundern,
die gerade jetzt um uns herum geschehen –
durch Menschen, die Verantwortung übernehmen und tragen,
durch Menschen, die sich einsetzen für andere,
vor Allem durch Menschen,
die einen kühlen Kopf bewahren
und nicht in Panik geraten.

So bitten wir dich,
für Entscheidungsträger und Expertinnen,
Ärztinnen und Krankenpfleger,
Verkäufer und Polizistinnen,
Menschen, die gerade besonders gefordert sind.

Schenke du Kraft und Perspektiven,
Mut und Einsatzbereitschaft,
Auferstehungserlebnisse mitten drin im Alltag.

Und gemeinsam beten wir:

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Erlöserkirche Gospel Choir: Martin Seidl: The Lord is my shepherd (Psalm 23)
(mit freundlicher Genehmigung des Komponisten)