Andacht aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 26. April 2020
mit Robert Colditz


Orgelvorspiel
Jona 2,3: 

„Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir.“

Begrüßung:

Wie wir in der Losung des heutigen Tages erfahren, hat Jona Gottes Hilfe bekommen, obwohl er nichts mehr von Gott wissen wollte. Nach drei Tagen und Nächten in einem Meeresungeheuer nimmt sein Schicksal eine Wendung zum Guten. Viele Menschen fragen sich, wie lange dauert unsere aktuelle Corona-Not noch an? Vor wenigen Tagen war es der 40. Tag nach Beginn dieser Notzeit. 40 ist wie 3 auch eine symbolische Zahl der Wende. 40 Tage wartete Noah in der Arche und wurde Jesus in der Wüste geprüft und 40 Jahre das Volk Israel, bevor es ins gelobte Land kam. Die babylonische Gefangenschaft zur Zeit des Propheten Ezechiel, von dem wir nachher hören, dauerte noch länger. Wir wissen nicht, wie lange wir noch ausharren müssen. Aber wir wissen, dass Gott antwortet, wenn wir ehrlich und aus ganzem Herzen zu Gott rufen.

Gebet:

Gott, es kommt uns so vor, als wäre unsere Lebenswirklichkeit von einem Ungeheuer verschluckt worden. Wann werden wir wieder ausgespuckt? Wir merken, dass manche mit ihrer neuen Lebenswirklichkeit sehr gut zurechtkommen und andere nur mehr im Dunkeln tappen. Viele haben nun keine Arbeit und damit nicht die Möglichkeit sich ihre Lebensgrundlage zu verdienen. Auch wenn unsere Kirche so leer ist, sind sie aber alle im Geiste da, die Einsamen und die Traurigen, die Kranken und die Ängstlichen, die Überforderten und die Gestressten, die Arbeitslosen und die Fadisierten, die Angespannten und die Gechillten, die Sorgenvollen und die Anpackenden. Du siehst uns alle, wo immer wir jetzt sind. Es tut uns gut, dass Du Einblick hast in unser aller Lebenswirklichkeiten; es tut uns gut, dass Du uns verbindest, auch wenn wir einander nur erahnen können; es tut uns gut, dass Du uns zu Ausblicken führst auf Wirklichkeiten, die viel größer sind als wir fassen können. So wollen wir auf Dein Wort hören und uns von ihm aufmachen lassen – auf Dich hin. Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 114,1,4,8,10:

1. Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin, die Sonn ist aufgegangen. Ermuntre deinen Geist und Sinn, den Heiland zu umfangen, der heute durch des Todes Tür gebrochen aus dem Grab herfür der ganzen Welt zur Wonne.

4. Quält dich ein schwerer Sorgenstein, dein Jesus wird ihn heben; es kann ein Christ bei Kreuzespein in Freud und Wonne leben. Wirf dein Anliegen auf den Herrn und sorge nicht, er ist nicht fern, weil er ist auferstanden.

8. Scheu weder Teufel, Welt noch Tod noch gar der Hölle Rachen. Dein Jesus lebt, es hat kein Not, er ist noch bei den Schwachen und den Geringen in der Welt als ein gekrönter Siegesheld; drum wirst du überwinden.

10. Sei hochgelobt in dieser Zeit von allen Gotteskindern und ewig in der Herrlichkeit von allen Überwindern, die überwunden durch dein Blut; Herr Jesu, gib uns Kraft und Mut, dass wir auch überwinden.

Ezechiel 34, 17-22:

(17) Ihr aber, meine Herde, sollt wissen: Ich selbst, der Herr, der mächtige Gott, sorge jetzt für Recht; ich nehme die schwachen Tiere vor den starken in Schutz. Ihr Widder und Böcke,
(18) ist es euch nicht genug, das beste Gras zu fressen? Warum zertrampelt ihr den Rest? Ist es euch nicht genug, das klare Wasser zu trinken? Warum wühlt ihr auch noch den Schlam m vom Grund auf?
(19) Meine Schafe müssen fressen, was ihr zertrampelt habt, und trinken, was ihr verschmutzt habt.
(20) Darum sage ich, der Herr, der mächtige Gott: Jetzt werde ich selbst die schwächeren Tiere vor euch starken in Schutz nehmen!
(21) Ihr habt sie mit Schulter und Hinterteil beiseite gedrängt, mit euren Hörnern gestoßen und weit von der Herde weggetrieben.
(22) Aber jetzt komme ich meinen Schafen zu Hilfe. Sie sollen nicht länger eurer Willkür ausgeliefert sein. Ich helfe den Schwachen gegen die Starken und verschaffe ihnen ihr Recht.

Liebe Schwestern und Brüder,
Wie geht es Ihnen mit der Auferstehung? Einerseits mit der, die uns im Zusammenhang mit der Coronakrise nach Ostern angesagt wurde, andererseits mit der von der uns die Bibel erzählt? Vielen fällt die Antwort auf diese Fragen nicht leicht.

Der Prophet Ezechiel spricht ebenfalls zu Menschen, deren Situation nicht leicht ist. Die Menschen damals befanden sich in einer langen Krisenzeit, fast alles, was ihnen vertraut war, war nicht mehr, sie mussten sich einer neuen Wirklichkeit stellen. Sie mussten auch ihr religiöses Leben anpassen, es entwickelte sich Neues. Gegen die bedrohliche neue Wirklichkeit begannen sie Geschichten auf zu schreiben, zu lesen und zu hören, Geschichten von ihrem Gott, der wirklicher und wirksamer ist als die bedrohlich wirkende Wirklichkeit der Krise. Mit diesen Geschichten begangen sie im kleinen Kreis den gewohnten Schabat, der sie immer schon an die Wirklichkeit Gottes erinnerte. Und sie merkten, dass sich diese Wirklichkeit Gottes gleichzeitig hinter und inmitten der Wirklichkeit, wie sie sie täglich erlebten, befand. Und es begann sich unter ihnen eine neue gute Botschaft herumzusprechen: der Glaube an die Auferstehung.

Es war nicht der Glaube an die Auferstehung der Wirtschaft nach Ostern, wie wir ihn heutzutage erzählt bekommen. Denn die bringt uns zurück in die Vergangenheit. Sondern es war und ist die Auferstehung einer Zukunft mit und bei Gott. Das ist eine Erzählung, die uns geistige Nahrung gibt, weil sie uns wirklich begeistert und motiviert. Sie erzählt davon, dass Gott selbst für Recht sorgen wird. Genug mit dem immer gleichen, dass die Starken die Schwächeren ausbeuten. Wenn die Wirtschaft aufersteht, dann sollen wir nicht mehr der Willkür der Starken ausgeliefert sein, sondern dann sollen alle Geschöpfe zu ihrem Recht kommen. Es geht dabei darum, dass sich die Wirklichkeit Gottes, die wir erst nach dem Tod wirklicher erfassen werden können, auch jetzt schon in unserer Wirklichkeit heilsam auswirkt. Der Chefredakteur einer österreichischen Tageszeitung schrieb vor kurzem zur Entscheidung „Menschenleben oder wirtschaftliche Zukunft“: „eine solche kann und darf Politik nur zugunsten der Schwächeren fällen“. Er meinte damit aber wohl nur die Politik in der Krise oder hat auch ihn nun der Glaube an die Auferstehung von einer gerechteren Wirklichkeitsgestaltung überzeugt?

Ich gebe zu, die Vorstellung Schaf und Herde zu sein, wie sie in Bibeltexten vorkommt, hat mich nie angesprochen. Und als ich die Herdenmentalität bei den jüngsten Hamsterkäufen beobachtete, wurde mir schlecht. Aber in der Bibel geht es dabei darum, Teil der guten Gemeinschaft zu sein. Dies in einer individualisierten Gesellschaft in unserer heutigen Krise wiederzuentdecken ist doch etwas Wunderbares. Sogar wer nun die Zeit alleine zuhause verbringen muss, kann sich als Teil der Gemeinschaft erleben durch die Wirklichkeit der modernen Technik und die Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft, die durch die Krise entstanden sind. Wir haben festgestellt, dass wir durch unsere Online-Andachten bedeutend mehr Menschen erreichen als in normalen Gottesdiensten. Über Rückmeldungen aller, besonders auch neuer Kontakte würden wir uns besonders freuen. Wir arbeiten gerne an Verbesserungen unserer Kontaktmöglichkeiten und unserer Gemeinschaft. Wir Christinnen und Christen können nur Gemeinschaft des Auferstandenen sein, wenn Starke und Schwache gleich wichtig sind. Mit diesem Maßstab wollen wir gemessen werden und diesen Maßstab müssen wir einbringen in die und ins Gespräch bringen in der gesamten Gesellschaft.

Auch wenn Sie sich immer noch schwer tun mit der Antwort auf die Frage nach der Auferstehung, schreiben Sie unserer Gemeinschaft einfach Ihre Gedanken – in die Online-Bassena oder per Email oder Brief an unsere Hauptverantwortlichen. Wir sind eine offene Gemeinschaft und freuen uns, wie gesagt, über Ihre Kontaktaufnahme. Der gedankliche Kontakt ist nicht verboten und bringt uns als Gemeinschaft weiter. Gott wird uns bei der Auferstehung überraschen. Wir können einander aber schon hier und jetzt überraschen.

Amen.

Gebet:

Gott, wir danken Dir für den Schabat und den Sonntag, dafür dass unsere Gedanken zur Ruhe kommen und neu geordnet werden, wir danken Dir für Deinen Tag der Auferstehung, dass Du uns mitnimmst in Deine Wirklichkeit, über das hinaus, was uns gefangen hält. Du antwortest denen, die in ihrer Angst zu Dir rufen, lass‘ auch uns hören und antworten; lass uns auch die nicht vergessen, die in benachteiligten und krisengewohnten Teilen unserer Erde wohnen, die in noch nicht absehbarem Ausmaß von der Pandemie betroffen sein werden; lass Deinen schöpferischen Geist an, in und durch uns wirken. Rühr‘ uns an mit Deiner Kraft, dass wir Wege finden den Zusammenhalt zwischen Starken und Schwachen selbstverständlich in, aber vor allem auch nach der Krise mit neuem Leben zu füllen, im persönlichen, im politischen und im wirtschaftlichen Bereich, den Zusammenhalt mit allen, die leiden, die unterdrückt und die ausgebeutet werden, mit Deinen Geschöpfen und Deiner Erde, denn Dein Recht und Deine Gerechtigkeit stehen uns allen zu. Stärke und leite uns, wenn wir immer wieder und so auch jetzt einstimmen in die Worte Jesu, unseres auferstandenen Herrn: Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Klaviernachspiel:

Martin Seidl spielt Georg Friedrich Händels “Fantasia in C”.